Afgha­ni­stan: Star­ker Andrang auf Bundesaufnahmeprogramm

Flüchtlinge - Zelte - Kleidung - Zäune - Balkanroute Foto: Flüchtlinge auf der Balkanroute, Urheber: dts Nachrichtenagentur

Weni­ge Wochen nach dem offi­zi­el­len Start des Bun­des­auf­nah­me­pro­gramms für Afgha­ni­stan berich­ten meh­re­re Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen über einen mas­sen­haf­ten An drang.

„Bei uns lau­fen im Minu­ten­takt Mails ein”, sag­te Axel Stei­er von „Mis­si­on Life­line” den Zei­tun­gen der Fun­ke-Medi­en­grup­pe (Mon­tags­aus­ga­ben). Bis Anfang Novem­ber, gut zwei Wochen nach Start­schuss für das Auf­nah­me­pro­gramm, haben dem­nach 17.000 Anfra­gen die Orga­ni­sa­ti­on erreicht. Bei den Hel­fern von „Kabul Luft­brü­cke” waren es nach eige­nen Anga­ben 15.000 Nach­rich­ten, per E‑Mail, über die Social-Media-Accounts, teil­wei­se auch über die pri­va­ten Mail-Adres­sen der Mit­ar­bei­ter. „Unse­re Haupt­mail­fä­cher sind nahe­zu unbe­nutz­bar der­zeit”, sag­te Til­ly Sün­kel von der Orga­ni­sa­ti­on auf Nach­fra­ge der Fun­ke-Zei­tun­gen. Bei „Repor­ter ohne Gren­zen” sind es dem­nach 12.000 Regis­trie­run­gen und knapp 4.000 Hilfs­an­fra­gen. Die Orga­ni­sa­ti­on habe das Online-For­mu­lar für gefähr­de­te afgha­ni­sche Medi­en­schaf­fen­de „tem­po­rär wie­der off­line gestellt”, hieß es. Und auch die Bun­des­re­gie­rung haben nach eige­nen Anga­ben „bereits Anfra­gen im fünf­stel­li­gen Bereich erreicht”, heißt es auf Nach­fra­ge aus dem Aus­wär­ti­gen Amt.

Mit­te Okto­ber war das neue Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm gestar­tet, mit dem monat­lich bis zu 1.000 beson­ders gefähr­de­te Afgha­nen nach Deutsch­land kom­men kön­nen. Dar­auf hat­ten sich Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser und Außen­mi­nis­te­rin Anna­le­na Baer­bock geei­nigt. Es geht um den Schutz etwa von Medi­en­schaf­fen­den und Men­schen­recht­lern, aber auch Mit­ar­bei­tern in Jus­tiz, Poli­zei oder Poli­tik, die seit der Macht­über­nah­me der Tali­ban in Gefahr sind. Aller­dings kön­nen sich gefähr­de­te Men­schen in Afgha­ni­stan nicht selbst für eine Auf­nah­me im Rah­men des Pro­gramms bewer­ben. Sie müs­sen statt­des­sen von den Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen wie Repor­ter ohne Gren­zen und Kabul Luft­brü­cke als „mel­de­be­rech­tig­te Stel­len” vor­ge­schla­gen werden.

Die zivi­len Hel­fer kri­ti­sie­ren das Vor­ge­hen der Bun­des­re­gie­rung bei dem Pro­gramm. Sie for­der­ten in den Fun­ke-Zei­tun­gen mehr Trans­pa­renz und mehr Ein­satz durch den Bund für gefähr­de­te Afgha­nen. „Das Pro­gramm kommt uns vor wie ein PR-Gag. Es ist nicht wirk­lich kon­zi­piert für gefähr­de­te Per­so­nen”, sag­te Til­ly Sün­kel von „Kabul Luft­brü­cke”. „Wenn es ein sol­ches Pro­gramm gibt, dann müs­sen aus unse­rer Sicht zumin­dest neben­her wei­te­re Ver­fah­ren offen­blei­ben, mit aus­rei­chend Res­sour­cen und Per­so­nal ver­stärkt wer­den und refor­miert wer­den”. Das betref­fe bei­spiels­wei­se das Orts­kräf­te­ver­fah­ren, den Fami­li­en­nach­zug und die indi­vi­du­el­le Antrag­stel­lung nach dem Aufenthaltsgesetz.

Chris­ti­an Mihr von Repor­ter ohne Gren­zen hob her­vor, dass das Auf­nah­me­pro­gramm „voll­ends zu schei­tern” dro­he. Die Bun­des­re­gie­rung müs­se die „Rah­men­be­din­gun­gen des Afgha­ni­stan-Auf­nah­me­pro­gramms über­ar­bei­ten und vor allem auch jen­seits des Auf­nah­me­pro­gramms unbü­ro­kra­tisch huma­ni­tä­re Visa für ganz beson­ders bedroh­te Medi­en­schaf­fen­de ver­ge­ben”, so Mihr. Der Geschäfts­füh­rer von Pro Asyl, Gün­ter Burk­hardt, ergänz­te auf Nach­fra­ge der Fun­ke-Zei­tun­gen: „Der Bund zieht sich bis­her völ­lig aus der Bear­bei­tung von Fäl­len zurück, will die­se schwie­ri­ge und zeit­in­ten­si­ve Auf­ga­be den zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen über­las­sen. Das ist der fal­sche Weg”. Aus dem Aus­wär­ti­gen Amt heißt es, der Aus­rei­se­druck aus Afgha­ni­stan sei „sehr hoch, ent­spre­chend kommt es vor, dass Per­so­nen fal­sche Anga­ben machen oder gefälsch­te Unter­la­gen vor­le­gen”. Dies sei einer der Grün­de, wes­halb die Bun­des­re­gie­rung beim Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm „auch die Fach­kennt­nis von zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen, die in Afgha­ni­stan tätig waren oder beson­ders gute Kennt­nis­se zum auf­zu­neh­men­den Per­so­nen­kreis haben, nut­zen möch­te und die­se in das Pro­gramm mit einbezieht”.

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