Der Bund hält aktuell mindestens rund 1,2 Millionen Dosen des Corona-Impfstoffs von Biontech zurück.
Das berichtet der „Spiegel”. Wie aus Aufstellungen des Bundesgesundheitsministeriums von Jens Spahn hervorgeht, hat Biontech für die laufende Woche rund 5,13 Millionen Dosen „Comirnaty” an den Staat ausgeliefert, Spahns Ministerium stellt den Impfzentren der Länder und den Hausarztpraxen aber für diese Woche nur 3,92 Millionen Dosen bereit. Damit verzögert sich die Impfkampagne – vor allem bei den Erstimpfungen durch die Hausärzte.
Nach ursprünglichen Ankündigungen des Gesundheitsministeriums sollten die Praxen in dieser Woche Impfstoff für mehr als 3,3 Millionen Spritzen bereitgestellt bekommen. Tatsächlich sind es aber nur etwa 2,2 Millionen Portionen „Comirnaty”. Macht 1,1 Millionen Dosen weniger für die Hausärzte. Bei den Impfzentren wurden rund 75.000 Dosen gekürzt.
Die Aufgabe des Bundesgesundheitsministeriums sei es, „die Mengen in die Arztpraxen so zu steuern, dass der Bedarf für Zweitimpfungen zu jedem Zeitpunkt gedeckt werden kann”, sagte eine Ministeriumssprecherin dem „Spiegel”. In den kommenden drei Wochen müssten überproportional viele Zweitimpfungen durchgeführt werden. Und: „der Bedarf an Zweitimpfungen muss zwingend deutlich niedriger sein als die Gesamtmenge, die durch das BMG in das Regelsystem überführt wird”, hieß es.
„Die Liefermenge von Biontech in KW 23 und 24 [den nächsten beiden Wochen, Anm. d. Red.] reicht nicht aus, um dies sicherzustellen – insbesondere, da die Betriebsärzte ebenfalls mit 700.000 Impfdosen von Biontech mitimpfen werden.” Der Bundesvorsitzende des deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, kritisierte das Vorgehen des Ministeriums. „So verlieren wir Zeit”, sagte er dem „Spiegel”. „Wieso muss jetzt etwas gebunkert werden, wenn vorher immer angekündigt wurde, dass im Juni mehr Biontech kommt”.
Auch die Aufteilung der Kürzungen hält Weigeldt für fragwürdig: „In vielen Impfzentren wird Biontech an ältere Mitbürger verimpft, die auch Astrazeneca bekommen könnten. Im Gegenzug müssen in den Praxen junge Frauen auf Biontech verzichten, obwohl es für sie etwas höhere Risiken bei Astrazeneca gibt”. In der kommenden Woche dürfte die Nachfrage gerade nach Biontech-Impfterminen nochmals hochschnellen. Denn Spahn hat nicht nur beschlossen, am 7. Juni an die Priorisierung komplett aufheben; zugleich sollen sich dann auch 12- bis 15-jährige Kinder und Jugendliche um Impftermine bemühen dürfen. Und die Betriebsärzte sollen ebenfalls mitspritzen. Allerdings hat Biontech angekündigt, für die erste Junihälfte geplante Teillieferungen von rund 1,6 Millionen Dosen um zwei Wochen nach hinten zu verschieben.
Und Fragezeichen um den Verbleib von mehreren weiteren Millionen Impfdosen gibt es noch mehr: Wie eine Aufstellung der dts Nachrichtenagentur zeigt, klafft zwischen gelieferter und nachweislich verimpfter Menge schon seit Monaten eine Lücke von vier bis sieben Millionen Dosen – je nach Wochentag. Und das, obwohl aus manchen Ampullen sogar mehr Dosen gezogen werden und die bei der Liefermenge daher gar nicht auftauchen. Es ist vollkommen unklar, ob die Millionen fraglichen Dosen ohne Registrierung verimpft wurden, gehortet werden, verloren gegangen sind oder weggeworfen wurden. Mehrere Ministerpräsidenten beteuern immer wieder, dass nichts davon zuträfe.