Zur Vorsorge für einen schweren Reaktorunfall will Deutschland seinen Vorrat an Jodtabletten offenbar erheblich aufstocken.
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) habe bei einem Hersteller in Österreich 190 Millionen dieser Tabletten bestellt, berichtet der WDR unter Berufung auf eigene Recherchen. Das sei nahezu das Vierfache des bisherigen Bestandes.
Die Entscheidung zur Aufstockung der Jodtabletten-Vorräte gehe laut BfS auf eine Empfehlung der Strahlenschutzkommission (SSK) zurück. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima hatte das Beratergremium der Bundesregierung vorgeschlagen, den Kreis der möglichen Empfänger von Jodtabletten nach Freisetzung von Radioaktivität erheblich auszuweiten.
„Fukushima hat uns damals zwei Dinge gelehrt: Das eine ist, dass man auch mit Reaktorunfällen der Stufe INES 7 rechnen muss, also schwerer, als man vorher angenommen hat”, sagte der Essener Strahlenbiologe und damalige Vorsitzende der SSK, Wolfgang Müller, dem WDR.
„Und zum zweiten, dass es durchaus auch mehrtägige Freisetzungen geben kann, was bedeutet, dass unter Umständen die Windrichtungen wechseln und viel mehr Gebiete betroffen sind, als das nach einer eintägigen Freisetzung der Fall wäre.”
Das Risiko eines Super-GAU ist laut Müller trotz des für 2022 beschlossenen Atomausstiegs real – insbesondere wegen der zahlreichen grenznahen Atomkraftwerke. Die Städteregion Aachen hatte vor zwei Jahren wegen der Risiken des benachbarten belgischen AKW Tihange vorsorglich Jodtabletten an alle Bewohner unter 45 Jahre ausgeben lassen.
Die Kosten für die Aufstockung der bundesweiten Jodtabletten-Vorräte liegen laut BfS bei 8,4 Millionen Euro (netto) und werden vom Bund getragen.