Coro­na­vi­rus: Stei­gen­de Infek­ti­ons­zah­len wegen Selbsttests

Teststelle - Coronavirus - Impfung - Deutsches Rotes Kreuz Foto: Teststelle gegen das Coronavirus vom Deutsches Rotes Kreuz, Urheber: dts Nachrichtenagentur

Pünkt­lich zum Ver­kaufs­start von Selbst­tests im Ein­zel­han­del war­nen Poli­ti­ker und Exper­ten vor nomi­nell nun stei­gen­den Infektionszahlen.

Der Minis­ter­prä­si­dent von Baden-Würt­tem­berg, Win­fried Kret­sch­mann, erwar­tet, dass die gemes­se­ne Inzi­denz­ra­te steigt. „Wenn wir jetzt mas­sen­haft tes­ten, wer­den wir natür­lich mehr Infek­tio­nen fest­stel­len”, sag­te Kret­sch­mann der FAS. Die Dun­kel­zif­fer zu erhel­len sei „ja auch erwünscht”. Und wei­ter: „Nur dann, wenn man mehr Infek­tio­nen fest­stellt und die auch ver­fol­gen kann, kommt man auch schnel­ler run­ter mit den Zah­len. Das ist der Vor­teil”. Im Öff­nungs­plan von Bund und Län­dern gebe es des­halb „einen rie­si­gen Puf­fer”. Dort ent­schei­den Inzi­denz­ra­ten von 50 oder 100 über die Maßnahmen.

Der Ber­li­ner Phy­si­ker Kai Nagel, der für die Bun­des­re­gie­rung in Modell­rech­nun­gen die Pan­de­mie unter­sucht, erwar­tet eben­falls eine Stei­ge­rung. „Durch Schnell­tests wür­den die Inzi­denz­wer­te vor­aus­sicht­lich erst mal wie­der anstei­gen. Gene­rell soll­te das Ziel aber sein, dass das Infek­ti­ons­ge­sche­hen wei­ter redu­ziert wird und die Tests beschleu­ni­gen dies ja eher”, sag­te Nagel der FAS. Der Inzi­denz­wert wür­de stei­gen, weil vie­le Infek­tio­nen erkannt wer­den, und dann sin­ken, weil mehr Infi­zier­te in Qua­ran­tä­ne gin­gen und weni­ger ansteckten.

Für den Viro­lo­gen Hendrick Stre­eck schau­en Poli­ti­ker zu sehr auf die Inzi­denz­ra­te. „Öff­nun­gen müs­sen mit einer defi­nier­ten Test­stra­te­gie ver­knüpft sein, aber man muss sich dar­über im Kla­ren sein, dass bei ver­mehr­ten Tests wahr­schein­lich auch die Infek­ti­ons­zah­len auto­ma­tisch stei­gen wer­den, weil eben so mehr Infek­tio­nen ent­deckt wer­den”, sag­te Stre­eck der FAS. „Auch weil sich die Basis für die erfass­ten Daten immer wie­der geän­dert hat, habe ich seit dem Som­mer dafür plä­diert, dass nicht ein ein­zel­ner Indi­ka­tor aus­schlag­ge­bend für Ent­schei­dun­gen sein darf. Die Hos­pi­ta­li­sie­rungs­ra­te könn­te bei­spiels­wei­se eben­so ein­be­zo­gen werden”.

Der SPD-Abge­ord­ne­te und Epi­de­mio­lo­ge Karl Lau­ter­bach hält auch für mög­lich, dass die Schnell­tests den Inzi­denz­wert nach unten ver­fäl­schen. „Die Inzi­denz­ra­te kann in jede Rich­tung gehen. Es kann auch sein, dass sie sinkt. Wenn jemand einen posi­ti­ven Selbst­test aus dem Super­markt hat, und eine Qua­ran­tä­ne ver­mei­den will, könn­te er auf einen PCR-Test ver­zich­ten und sich selbst iso­lie­ren. Dann wür­de er in der Sta­tis­tik nicht gezählt wer­den”. Der Staat wür­de so nichts von der Infek­ti­on erfah­ren. Lau­ter­bach ist des­halb für Schnell­tests unter Auf­sicht, in Betrie­ben, Schu­len oder Zen­tren. „Dann wäre sicher­ge­stellt, dass nach einem posi­ti­ven Schnell­test noch ein PCR-Test gemacht wird”, sag­te er der FAS.

In den Kom­mu­nen sorgt der dro­hen­de Fli­cken­tep­pich aus Land­krei­sen mit unter­schied­li­chen Lock­down-Regeln für Kri­tik. Der Frei­bur­ger Ober­bür­ger­meis­ter Mar­tin Horn kann bei sich einen Inzi­denz­wert von unter 50 ver­zeich­nen und strebt des­halb Locke­run­gen an. Land­krei­se im Umland haben höhe­re Inzi­denz­ra­ten. Horn kri­ti­siert, dass die Abstu­fung der Maß­nah­men nach Stadt- und Land­krei­sen „an der Lebens­rea­li­tät der Men­schen vor­bei­geht”. Statt eines „Fli­cken­tep­pichs” brau­che es regio­na­le Konzepte.

Auch die Stadt Kai­sers­lau­tern, die eine nied­ri­ge Inzi­denz hat, teil­te mit, man hal­te es „nicht für sinn­voll”, etwa­ige Öff­nungs­schrit­te frü­her zu gehen als das Umland. Soll­te es einen Ein­kaufs­tou­ris­mus geben, wer­de man „nach­steu­ern”.

Ähn­lich äußert sich der Leip­zi­ger Ober­bür­ger­meis­ter und Prä­si­dent des Deut­schen Städ­te­ta­ges, Burk­hard Jung von der SPD: „Um einen „Öff­nungs­tou­ris­mus” zu ver­mei­den, braucht es gemein­sa­me Vor­keh­run­gen zwi­schen Län­dern, aber auch zwi­schen Städ­ten und Land­krei­sen”, sag­te er der FAS. Jung erwar­tet von der Bun­des­re­gie­rung, dass sie für aus­rei­chend Test­kits sorgt. „Wir kön­nen nicht am Mon­tag zu Tests auf­ru­fen und dann Mitt­woch­mit­tag sagen: Jetzt wird nicht mehr getes­tet, weil uns die Test­kits aus­ge­gan­gen sind”.

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