Tür­kei: Deut­li­che Zunah­me von Schutzsuchenden

Türkei - Türkische-Flagge - Flagge - Fahne - Mast - Bäume Foto: Sicht auf die Flagge der Türkei, Urheber: dts Nachrichtenagentur

Die Zahl der Asyl­su­chen­den aus der Tür­kei ist in der EU stark angestiegen.

Im ver­gan­ge­nen Novem­ber haben nach vor­läu­fi­gen Anga­ben der Asyl­agen­tur der Euro­päi­schen Uni­on 8.342 tür­ki­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge in der EU einen Antrag auf Schutz – so viel wie in kei­nem ande­ren Monat des ver­gan­ge­nen Jah­res. Ins­ge­samt stell­ten von Janu­ar bis Novem­ber 2022 dem­nach mehr als 46.000 Per­so­nen Asyl in den 27 EU-Staa­ten, teil­te die Behör­de auf Nach­fra­ge der Zei­tun­gen der Fun­ke-Medi­en­grup­pe (Don­ners­tag­aus­ga­ben) mit. Das sind mehr als dop­pelt so vie­le wie im Jahr 2021, in dem es ins­ge­samt rund 22.000 tür­ki­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge waren. Die Zah­len für Dezem­ber wer­tet die Behör­de der­zeit aus. Nach Men­schen aus Syri­en und Afgha­ni­stan sind Staats­an­ge­hö­ri­ge aus der Tür­kei die dritt­größ­te Grup­pe der Antrag­stel­ler in der EU. Auch in Deutsch­land stell­ten 2022 knapp 24.000 Men­schen aus der Tür­kei einen Erst­an­trag auf Asyl, mehr als drei­mal so viel wie 2021. Nur ein Teil der Asyl­su­chen­den bekommt einen Schutz­ti­tel, vie­le sind aus­rei­se­pflich­tig. EU-weit betrug die Aner­ken­nungs­quo­te für einen inter­na­tio­na­len Schutz­ti­tel bei tür­ki­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen laut EUAA im Novem­ber 2022 rund 30 Pro­zent. Nach Anga­ben der Bun­des­re­gie­rung ver­lan­gen die tür­ki­schen Behör­den bei Fäl­len von Per­so­nen, die aus Deutsch­land in die Tür­kei abge­scho­ben wer­den sol­len, eine Viel­zahl an Doku­men­ten und Infor­ma­tio­nen über die jewei­li­gen Personen.

Der Bun­des­re­gie­rung ist nach eige­nen Anga­ben bekannt, dass tür­ki­sche Aus­lands­ver­tre­tun­gen neben den im Rück­nah­me­ab­kom­men zwi­schen EU und Tür­kei vor­ge­schrie­be­nen per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten sowie Gesund­heits­da­ten und Sicher­heits­maß­nah­men „auch Infor­ma­tio­nen zum Grund der Rück­füh­rung (Aus­rei­se­pflicht), die Daten der Erst­ein­rei­se nach Deutsch­land sowie der Ent­schei­dung zur Aus­rei­se­pflicht” ver­lan­gen wür­den, heißt es in einer Ant­wort des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums auf Anfra­ge der Links­frak­ti­on, über die die Fun­ke-Zei­tun­gen berich­ten. Auch Anga­ben dar­über, ob eine Per­son in Deutsch­land in Haft sitzt, wür­den gege­be­nen­falls ange­fragt. Sofern die Wei­ter­ga­be der Infor­ma­tio­nen nach dem Auf­ent­halts­ge­setz zuläs­sig ist und der Bund für die Abschie­bung zustän­dig ist, wür­den sol­che Infor­ma­tio­nen den tür­ki­schen Behör­den auch mit­ge­teilt. In der Regel sind aller­dings die Bun­des­län­der für die Orga­ni­sa­ti­on der Abschie­bun­gen zuständig.

Die Links­frak­ti­on übt an der Pra­xis der Infor­ma­ti­ons­wei­ter­ga­be von deut­schen an tür­ki­sche Behör­den schar­fe Kri­tik. „Die genann­ten Infor­ma­tio­nen betref­fen allein das Ver­hält­nis der aus­rei­se­pflich­ti­gen Per­son zur Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land – für deren Wei­ter­ga­be an die tür­ki­schen Behör­den gibt es kei­ner­lei Rechts­grund­la­ge”, sag­te die flucht­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Lin­ken, Cla­ra Bün­ger. „Die Daten­über­mitt­lun­gen müs­sen daher sofort gestoppt wer­den”. Bund und Län­der müss­ten „dafür Sor­ge tra­gen, dass in den zustän­di­gen Behör­den klar ist, dass sen­si­ble Infor­ma­tio­nen aus dem Asyl­ver­fah­ren nicht in die Hän­de poten­zi­el­ler Ver­fol­ger­staa­ten gera­ten dür­fen”, so Bünger.

Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen und lin­ke Poli­ti­ker wie­sen in der Ver­gan­gen­heit immer wie­der auf die Gefahr hin, dass tür­ki­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen nach ihrer Abschie­bung auf­grund von poli­ti­schen Äuße­run­gen oder Tätig­keit in der Oppo­si­ti­on inhaf­tiert wür­den. Das betref­fe vor allem kur­di­sche Akti­vis­ten. Auch Berich­te der EU-Kom­mis­si­on doku­men­tie­ren eine „Ver­schlech­te­rung der Demo­kra­tie, des Rechts­staats und der Grund­rech­te” in der Tür­kei. Die Bun­des­re­gie­rung teil­te mit, dass bestimm­te sen­si­ble Doku­men­te nicht durch den Bund an die tür­ki­schen Behör­den über­mit­telt wür­den. „Der Bun­des­re­gie­rung ist nicht bekannt, dass tür­ki­sche Aus­lands­ver­tre­tun­gen den voll­stän­di­gen Bescheid des Bun­des­am­tes für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge ver­lan­gen. Nach Kennt­nis der Bun­des­re­gie­rung ver­lan­gen die tür­ki­schen Aus­lands­ver­tre­tun­gen in der Regel kei­ne Gerichts­ur­tei­le”, heißt es von Sei­ten des Bundesinnenministeriums.

Anmer­kun­gen zum Bei­trag? Hin­weis an die Redak­ti­on sen­den.