Ber­lin: Coro­na-Anspra­che der Bun­des­kanz­le­rin im Wortlaut

Bundeskanzleramt - Bundesregierung - Bundesbehörde - Berlin Foto: Sicht auf das Bundeskanzleramt in der Hauptstadt (Berlin), Urheber: dts Nachrichtenagentur

Bun­des­kanz­le­rin Ange­la Mer­kel (CDU) hat sich am Frei­tag erneut mit einer Video-Anspra­che zur Coro­na­kri­se an die Bevöl­ke­rung gewandt.

Hier der Text im Wort­laut: „Guten Tag, lie­be Mit­bür­ge­rin­nen, lie­be Mit­bür­ger, ich bin froh, mich heu­te wie­der aus dem Kanz­ler­amt an Sie wen­den zu kön­nen. Mei­ne häus­li­che Qua­ran­tä­ne ist vor­bei, und mir geht es gut. Jetzt ahne ich: 14 Tage allein zu Hau­se, 14 Tage nur am Tele­fon und im Netz mit der Welt ver­bun­den zu sein, das ist nicht leicht. Ganz beson­ders nicht für die vie­len älte­ren oder erkrank­ten Men­schen in die­ser Zeit, die allei­ne zu Hau­se sein müs­sen, weil das Virus für sie eine gro­ße Gefahr dar­stellt – und die nicht, wie ich, nach knapp zwei Wochen schon wie­der aus der Woh­nung kön­nen. Mein herz­li­cher Gruß und alle mei­ne guten Wün­sche gehen an Sie, die Sie jetzt in die­ser Situa­ti­on sind. Es ist mir wich­tig, noch ein­mal zu sagen, was mich und die Bun­des­re­gie­rung im Kampf gegen das Coro­na­vi­rus bewegt und was uns bei unse­ren Ent­schei­dun­gen lei­tet. Denn in der kom­men­den Woche geht es auf das Oster­fest zu – und das ist eine ganz beson­de­re Zeit. Ostern, das ist für Mil­lio­nen von Chris­ten der Kirch­gang, das ist der Oster­sonn­tag mit der gan­zen Fami­lie, viel­leicht ein Spa­zier­gang, Oster­feu­er, das ist für vie­le ein kur­zer Urlaub an der See oder im Süden, wo es schon wär­mer ist. Nor­ma­ler­wei­se. Aber nicht in die­sem Jahr. Das ist es, was ich Ihnen heu­te sagen muss: Wir alle wer­den eine ganz ande­re Oster­zeit erle­ben als je zuvor. Natür­lich wer­den die Chris­ten in Deutsch­land den Kar­frei­tag bege­hen und den Oster­sonn­tag der Auf­er­ste­hung – aber nicht in der Kir­che, Sei­te an Sei­te mit den ande­ren Gemein­de­mit­glie­dern. Ich bin froh, dass die Kir­chen es schon in den letz­ten Wochen so wun­der­bar geschafft haben, mit Got­tes­diens­ten im Fern­se­hen, Radio und im Netz so vie­le Men­schen zu errei­chen. Es wer­den an Ostern sicher noch weit mehr sein. Ich den­ke in die­sem Zusam­men­hang auch an die Juden und Mus­li­me in Deutsch­land und alle ande­ren Gläu­bi­gen, die jetzt nicht in ihren Got­tes­häu­sern zusam­men­kom­men kön­nen. Das ist eine die­ser Ein­schrän­kun­gen, die wirk­lich an den Kern einer Gesell­schaft gehen und die wir nur im Not­fall und nur so lan­ge wie unbe­dingt erfor­der­lich hin­neh­men kön­nen. Auch einen Oster­spa­zier­gang kann es nur nach den Regeln geben, die seit gut zwei Wochen über­all gel­ten: also nur mit den Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen, mit denen man auch zusam­men­wohnt, oder mit höchs­tens einer ande­ren Per­son außer­halb die­ses Krei­ses, und immer muss dabei an den nöti­gen Abstand zu ande­ren Men­schen gedacht wer­den, min­des­tens ein­ein­halb Meter oder bes­ser zwei. Ver­ges­sen wir auch nicht, an gründ­li­ches und häu­fi­ges Hän­de­wa­schen zu den­ken. Und auch wenn Sie sich ent­schlie­ßen soll­ten, einen ein­fa­chen Mund­schutz zu tra­gen, den­ken Sie bit­te immer dar­an, dass er nie­mals das Ein­hal­ten des Abstan­des erset­zen kann. Solan­ge es kei­nen Impf­stoff und kein Medi­ka­ment gegen das Virus gibt, ist die Ein­hal­tung des Abstan­des der wirk­sams­te Schutz. Und noch eines und bit­te neh­men Sie auch das ernst: Auch Kurz­rei­sen inner­halb Deutsch­lands, an die See oder in die Ber­ge oder zu Ver­wand­ten, kann es die­ses Jahr über Ostern nicht geben. Das sind har­te Wahr­hei­ten, ich weiß. Wir sind gewöhnt, uns zu bewe­gen, etwas zu unter­neh­men, zu rei­sen, wann wir wol­len und wohin wir wol­len. Die­se per­sön­li­che Ent­fal­tung ist ein Grund­zug unse­res frei­en Lebens. Und jetzt sind da plötz­lich über­all Regeln, Ein­schrän­kun­gen, Ver­bo­te. Aber sie sind buch­stäb­lich lebens­wich­tig. Und weil das so ist, erin­ne­re ich Sie und uns alle auch heu­te – gera­de vor der Oster­zeit – noch ein­mal dar­an. Man­cher von Ihnen mag sagen: Wir hal­ten doch jetzt schon mehr als zwei Wochen all die­se Regeln ein, wie lan­ge denn noch? Ich ver­ste­he die­se Fra­ge. Den­noch wür­de ich abso­lut unver­ant­wort­lich han­deln, wenn ich Ihnen heu­te ein­fach einen kon­kre­ten Tag nen­nen wür­de, an dem die Maß­nah­men auf­ge­ho­ben, zumin­dest aber gelo­ckert wer­den könn­ten, die­ses Ver­spre­chen dann aber nicht ein­hal­ten könn­te, weil die Infek­ti­ons­zah­len es nicht zulas­sen. Wenn ich die mit einem sol­chen Ver­spre­chen ver­bun­de­nen Hoff­nun­gen ent­täu­schen wür­de, kämen wir vom Regen in die Trau­fe – medi­zi­nisch, wirt­schaft­lich, sozi­al. Was ich Ihnen aber sehr wohl ver­spre­chen kann und ver­spre­chen will, das ist, dass Sie sich dar­auf ver­las­sen kön­nen, dass die Bun­des­re­gie­rung und auch ich per­sön­lich tat­säch­lich Tag und Nacht dar­über nach­den­ken, wie wir bei­des schaf­fen kön­nen: also sowohl den Gesund­heits­schutz für alle als auch einen Pro­zess, mit dem das öffent­li­che Leben auch wie­der Schritt für Schritt mög­lich wird. Wir wür­den unse­rer Ver­ant­wor­tung nicht gerecht wer­den, wenn wir dar­über nicht nach­däch­ten. Aber genau­so wür­den wir unse­rer Ver­ant­wor­tung nicht gerecht wer­den, wenn wir jetzt fal­sche Hoff­nun­gen wecken wür­den, indem wir Exit-Stich­ta­ge ver­ein­ba­ren wür­den, die anschlie­ßend der Rea­li­tät in kei­ner Wei­se stand­hal­ten wür­den. Das alles ins­ge­samt im Blick zu haben, das lei­tet mich. Das ist eine Her­ku­les­auf­ga­be, und Sie, lie­be Mit­bür­ge­rin­nen und Mit­bür­ger, haben einen Anspruch dar­auf, dass Ihre Bun­des­re­gie­rung und auch ich per­sön­lich sich die­ser Her­ku­les­auf­ga­be stel­len. Und genau das tun wir. Das ver­spre­che ich Ihnen. Damit das wei­ter gelingt, brau­che ich, das sage ich ganz offen, auch wei­ter Ihre Mit­hil­fe. Die Mit­hil­fe, die Sie schon seit Wochen in so wun­der­ba­rer Wei­se geben. Es ist schlicht­weg groß­ar­tig, was in unse­rem Land von der über­gro­ßen Mehr­heit der Men­schen geleis­tet wird. Unser Land zeigt sich von sei­ner bes­ten Sei­te. Dafür bin ich unend­lich dank­bar, und das kann ich Ihnen gar nicht oft genug sagen. Wie wich­tig das ist, wird deut­lich, wenn wir uns vor Augen füh­ren, wie die Lage ist und war­um es not­wen­dig ist, abso­lut Not­wen­dig, dass wir uns alle wei­ter an die Regeln, Ein­schrän­kun­gen und Ver­bo­te hal­ten: Das Coro­na­vi­rus brei­tet sich immer noch mit hoher Geschwin­dig­keit in Deutsch­land aus. Ich traue­re um die Men­schen, die durch die­se Krank­heit ihr Leben ver­lo­ren haben, und den­ke an ihre Ange­hö­ri­gen und Freun­de. Täg­lich wer­den Tau­sen­de neue Infek­tio­nen fest­ge­stellt, und das heißt auto­ma­tisch auch, dass täg­lich vie­le neue Pati­en­ten hin­zu­kom­men, die zum Teil auch inten­si­ve ärzt­li­che Betreu­ung und Kran­ken­haus­be­hand­lung brau­chen. Noch kön­nen wir jedem, auch den Schwer­erkrank­ten, die nöti­ge Behand­lung geben. Dass es dabei bleibt, das ist das Ziel, das uns lei­tet. Weil wir eine mensch­li­che Gesell­schaft sind. Weil es nicht um Zah­len geht, son­dern immer um jeden ein­zel­nen Men­schen, des­sen unver­äu­ßer­li­che Wür­de zu ach­ten ist. Es stimmt, dass die jüngs­ten Zah­len des Robert-Koch-Insti­tuts, so hoch sie sind, ganz vor­sich­tig ein wenig Hoff­nung machen. Denn der Zuwachs an neu­en bestä­tig­ten Anste­ckun­gen ver­läuft ein wenig lang­sa­mer als vor eini­gen Tagen noch. Aber es ist defi­ni­tiv viel zu früh, um dar­in einen siche­ren Trend zu erken­nen, und erst recht ist es viel zu früh, um des­we­gen auch nur an irgend­ei­ner Stel­le die stren­gen Regeln, die wir uns gege­ben haben, schon wie­der zu lockern. Die Exper­ten sagen uns: Es dau­ert noch etwas, bevor wir wis­sen, wie die Maß­nah­men, die wir ergrif­fen haben und vor allem auch die gro­ßen Ein­schrän­kun­gen, die Sie alle auf sich neh­men, die Kur­ve der Anste­ckun­gen abfla­chen las­sen. Das müs­sen wir wis­sen, um sicher sein zu kön­nen, dass unser Gesund­heits­sys­tem mit der gewal­ti­gen Belas­tung durch die Coro­na-Epi­de­mie zurecht­kommt. In mei­ner Bespre­chung mit den Regie­rungs­chefs und ‑che­fin­nen der Bun­des­län­der am Mitt­woch waren wir uns des­we­gen ganz einig: Alle Leit­li­ni­en für das redu­zier­te öffent­li­che Leben und alle Leit­li­ni­en für die Ein­schrän­kung der Kon­tak­te jedes Ein­zel­nen blei­ben unver­min­dert bestehen. Zunächst bis ein­schließ­lich 19. April, dem Ende der Oster­fe­ri­en in den meis­ten Län­dern. In wel­che Rich­tung es danach geht, wird ganz davon abhän­gen müs­sen, an wel­chem Punkt der Aus­brei­tung des Virus wir dann in Deutsch­land ste­hen und wie sich das in den Kran­ken­häu­sern aus­wirkt. Ich weiß: Es ist eine sor­gen­vol­le Zeit. Da ist die Sor­ge um die eige­ne Fami­lie, um den Arbeits­platz, dar­um, wie sich unser gan­zes Land ver­än­dern wird durch die­sen Ein­schnitt, den die Coro­na-Epi­de­mie bedeu­tet. Und die­se Sor­gen kann die Poli­tik bei aller Anstren­gung auch nicht ein­fach weg­neh­men. Ich ver­si­che­re Ihnen aber: Wir wer­den alles tun, was von staat­li­cher Sei­te mög­lich ist, damit mög­lichst weni­ge Ihrer Sor­gen Wirk­lich­keit wer­den. In den letz­ten Tagen sind die größ­ten wirt­schaft­li­chen und sozia­len Hilfs­pro­gram­me ange­lau­fen, die es in Deutsch­land je gab. Unzäh­li­ge Anträ­ge auf Zuschüs­se, Kre­di­te, Kurz­ar­bei­ter­geld und vie­le ande­re Leis­tun­gen sind schon ein­ge­gan­gen und wer­den so schnell und unbü­ro­kra­tisch wie mög­lich bear­bei­tet. Sie alle sol­len wis­sen: Die Bun­des­re­gie­rung steht an Ihrer Sei­te. Wir tun alles, damit unse­re soli­da­ri­sche sozia­le Markt­wirt­schaft sich in die­ser Prü­fung bewährt. Wir alle, lie­be Mit­bür­ge­rin­nen und Mit­bür­ger, ler­nen in die­ser Pan­de­mie, fast jeden Tag. Die Wis­sen­schaft­ler sagen uns das, und für uns Poli­ti­ker gilt es auch. Ich möch­te Ihnen für Ihre Geduld dan­ken und für das Durch­hal­ten. Alle, die jetzt zu Hau­se blei­ben, per­sön­li­che Kon­tak­te soweit es geht redu­zie­ren, die Regeln ein­hal­ten, tun aktiv etwas Rich­ti­ges und Gutes. Und Sie tun auch etwas Gutes, wenn Sie unter die­sen schwie­ri­gen Bedin­gun­gen noch Ideen ent­wi­ckeln, wie Sie ande­ren hel­fen kön­nen. Ja, wir müs­sen Abstand hal­ten. Das hin­dert uns aber nicht, unse­ren Mit­men­schen mit einem Brief, einem Anruf, einem Sky­pe­ge­spräch, einer klei­nen Ein­kaufs­hil­fe oder auch mit im Netz über­tra­ge­nen Haus­kon­zer­ten unse­re Nähe, unse­re Zunei­gung, unse­re Soli­da­ri­tät zu zei­gen. Das alles hilft, dass wir alle zusam­men gut durch die­se Zeit kom­men. Es wird ein Danach geben. Oder um zum Gedan­ken an Ostern zurück­zu­kom­men: Es wird auch wie­der Oster­fes­te geben, an denen wir uns unein­ge­schränkt Fro­he Ostern wün­schen wer­den. Wann die­ses Danach kommt und wie gut das Leben wie­der sein wird, das haben wir jetzt alle mit in der Hand. Wir alle zusam­men kön­nen unse­rem Land hel­fen, den Weg aus die­ser Kri­se zu fin­den. Und die­ses Wir, das zählt jetzt.”

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