SPD: Par­tei will einen mas­si­ven Aus­bau des Sozialstaats

SPD-Logo - Willy-Brandt-Haus - Berlin Foto: Sicht auf das SPD-Logo am Willy-Brandt-Haus (Berlin), Urheber: dts Nachrichtenagentur

Die SPD zieht mit dem Ver­spre­chen in den Bun­des­tags­wahl­kampf, die Hartz-IV-Grund­si­che­rung durch ein neu­es Bür­ger­geld zu ersetzen.

„Das Bür­ger­geld muss absi­chern, dass eine kaput­te Wasch­ma­schi­ne oder eine neue Win­ter­ja­cke nicht zur untrag­ba­ren Last wird”, heißt es im Ent­wurf der Par­tei­spit­ze für das Wahl­pro­gramm der Sozi­al­de­mo­kra­ten, über den die Zei­tun­gen der Fun­ke-Medi­en­grup­pe (Mon­tags­aus­ga­ben) berich­ten. Nach dem Wil­len der SPD soll der Staat bei der Grund­si­che­rung künf­tig Hartz-IV-Emp­fän­gern nicht mehr grund­sätz­lich miss­trau­isch gegen­über­ste­hen und sys­te­ma­tisch nach Regel­ver­stö­ßen fahn­den, son­dern als „halt­ge­ben­der und bür­ger­na­her Sozi­al­staat” auf Augen­hö­he mit Betrof­fe­nen agie­ren, die kei­ne Bitt­stel­ler seien.

Das geplan­te Bür­ger­geld beinhal­te Mit­wir­kungs­pflich­ten, set­ze aber kon­se­quent auf Hil­fe und Ermu­ti­gung. „Sinn­wid­ri­ge und unwür­di­ge Sank­tio­nen schaf­fen wir ab”, heißt es in dem 47-sei­ti­gen Ent­wurf. Das Bür­ger­geld sol­le digi­tal und unkom­pli­ziert bean­tragt wer­den kön­nen. Mit der Abkehr von Hartz IV hofft die SPD, ver­lo­ren gegan­ge­ne Glaub­wür­dig­keit als Arbei­ter­par­tei zurück­zu­ge­win­nen. Die vor mehr als 15 Jah­ren vom dama­li­gen SPD-Kanz­ler Ger­hard Schrö­der ein­ge­führ­ten Hartz-IV-Arbeits­markt­re­for­men stei­ger­ten nach Ansicht von Öko­no­men Deutsch­lands inter­na­tio­na­le Wett­be­werbs­fä­hig­keit enorm. Intern zer­riss Hartz die Par­tei, in der Fol­ge wand­ten sich vie­le Wäh­ler ab.

Bei einer Regie­rungs­be­tei­li­gung wol­len die Sozi­al­de­mo­kra­ten flan­kie­rend zum Bür­ger­geld mit umfas­sen­den staat­li­chen Ange­bo­ten für eine bes­se­re Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf sor­gen sowie Kin­der recht­lich und finan­zi­ell auf­wer­ten. Dazu will die SPD eine Kin­der­grund­si­che­rung ein­füh­ren und die steu­er­li­chen Kin­der­frei­be­trä­ge abschaf­fen. Neben kos­ten­lo­ser Infra­struk­tur für Kin­der wie kos­ten­lo­se Kitas, Ganz­tags­schu­len und freie Fahrt im Nah­ver­kehr soll es ein neu­es „exis­tenz­si­chern­des Kin­der­geld” geben, wel­ches alle bis­he­ri­gen Fami­li­en­leis­tun­gen zusam­men­fasst und nach Ein­kom­men der Eltern gestaf­felt ist.

Der monat­li­che Basis­be­trag sol­le bei 250 Euro je Kind lie­gen, der Höchst­be­trag bei 528 Euro (je nach Kin­des­al­ter und Ein­kom­men). „Das neue Kin­der­geld ersetzt so den Kin­der­frei­be­trag und bün­delt bis­he­ri­ge Leis­tun­gen”. Eltern sol­len direkt nach Geburt eines Kin­des Anspruch auf zwei Wochen „Part­ner­schafts­zeit” haben, die vom Staat sozi­al abge­si­chert wird. Außer­dem sol­le das Eltern­geld um ein „Eltern­geld akut” erwei­tert wer­den. Dazu sol­le der in der Coro­na-Pan­de­mie aus­ge­wei­te­te Anspruch auf Kin­der­kran­ken­ta­ge dau­er­haft für 20 Tage pro Jahr pro Eltern­teil gel­ten – „bei mehr als zwei Kin­dern maxi­mal 90 Tage pro Eltern­paar oder Alleinerziehende”.

Wer Ange­hö­ri­ge pflegt, soll Anspruch auf 15 Mona­te Lohn­er­satz­leis­tun­gen erhal­ten. Den gesetz­li­chen Min­dest­lohn will die SPD auf „min­des­tens 12 Euro” anhe­ben. Außer­dem soll­ten die Spiel­räu­me der Min­dest­lohn­kom­mis­si­on, die regel­mä­ßig über Erhö­hun­gen der Lohn­un­ter­gren­ze befin­det, für künf­ti­ge Erhö­hun­gen aus­ge­wei­tet wer­den. Midi-Job­ber – mit klei­nen Ein­kom­men zwi­schen 450 und 1.300 Euro im Monat – sol­len bes­ser­ge­stellt wer­den: „Um die Net­to­ein­kom­men von gering Ver­die­nen­den zu erhö­hen, heben wir die Gleit­zo­ne der Midi-Jobs auf 1.600 Euro an”, heißt es im Pro­gramm­ent­wurf. In die­ser Zone wür­den Arbeit­neh­mer gerin­ge­re Bei­trä­ge zah­len, ohne dass sie dadurch einen gerin­ge­ren Ren­ten­an­spruch haben.

Der Pro­gramm­ent­wurf wur­de feder­füh­rend von der SPD-Dop­pel­spit­ze Saskia Esken und Nor­bert Wal­ter-Bor­jans gemein­sam mit Kanz­ler­kan­di­dat und Finanz­mi­nis­ter Olaf Scholz ver­fasst. Er wird nach einem mona­te­lan­gen Betei­li­gungs­pro­zess mit der Par­tei­ba­sis am Mon­tag erst­mals im Par­tei­vor­stand beraten.

Die SPD ist damit die ers­te Par­tei, die sie­ben Mona­te vor der Wahl ein „Regie­rungs­pro­gramm” vor­legt. Es soll auf einem digi­ta­len Par­tei­tag im Mai end­gül­tig beschlos­sen wer­den. Bis dahin sind noch Ände­run­gen zu erwarten.

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