Am Kölner Hauptbahnhof wurde eine Mahnwache im Bezug auf den Vorfall in Frankfurt abgehalten. Viele Emotionen, Verärgerungen und mehr waren im Spiel. Hier ein Kommentar dazu.
Wenn man behaupten würde, dass der Stein durch eine Facebook-Gruppe ins Rollen kam, dass in Köln ebenfalls eine Mahnwache stattfinden soll, wäre es nicht gelogen. Seit dem 30.06.2019 (Dienstag) gibt es die öffentliche Facebook-Gruppe „#schütztunserekinder Köln”, gegründet von „Ann Christin Heger”. Dort wird von ihr von Anfang an schon klar gemacht, dass „freundlich miteinander umgegangen” werden soll und „wer nicht hört, der fliegt”.
Heger hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine friedliche Mahnwache in Köln auf der Domplatte (mit) zu organisieren und hat es auch mit mehreren, öffentlichen Facebook-Postings und sogar ‑Videos zum Ausdruck gemacht. Angemeldet wurde die Mahnwache von einer Privatperson – wahrscheinlich von Heger – und zu diesem Zeitpunkt wurden ungefähr mit 50 bis 100 Teilnehmer gerechnet. Die Facebook-Gruppe hat zum aktuellen Zeitpunkt über 1.000 Mitglieder.
Zwischen Dienstag und Donnerstag handeln sich die meisten, öffentlichen Facebook-Postings in der Gruppe von Fahrgemeinschaften und Koordinationsabsprachen. Wetterprognosen, wie man Bahnsteige sicherer machen kann und einiges mehr wurden dort auch veröffentlicht und besprochen – auch über die vergangene Mahnwache in Frankfurt.
Doch am Freitag kippt die Stimmung: Immer wieder liest man, dass man sich nicht provozieren lassen soll, dass die Presse falsche Meldungen über die Mahnwache veröffentlicht und einiges mehr. Doch was ist passiert? Neben der Mahnwache, die am Freitag um 20:00 Uhr beginnen soll, haben sich weitere Beteiligte angemeldet. Rechte Gruppierungen möchten ebenfalls erscheinen, das Bündnis „Köln gegen Rechts” möchte sich beteiligen und auch von der Antifa war die Rede. Die Mahnwache und auch Heger hat sich ausdrücklich davon distanziert. In einem öffentlichen Video sagte Heger: „Seit heute Morgen erreichen uns ganz viele Nachrichten, Kommentare und Screenshots von gewissen Postings – ich möchte sagen: Wir distanzieren uns ganz klar, ganz klar von der Seite der NPD, von der, der mit damit zusammenhängenden Propaganda für unsere Mahnwache.”.
Aufgrund mangelnder Kommunikation und falsche Interpretationen mancher gehen welche davon aus, dass die Mahnwache Köln der Facebook-Gruppe sich mit den Rechten zusammentun oder mit dem Bündnis „Köln gegen Rechts” kooperieren. Am besagten Freitag vor der Kundgebung ging es also drunter und drüber. Viele Emotionen und auch Wut waren hier im Spiel. Verständlich. Da möchte man ganz neutral (Anmerkung: „Neutral” im Sinne von, dass man sich weder als links oder als rechts ansieht) eine Mahnwache abhalten und schon gibt es „Gegendemonstrationen”. Zum Thema „Demonstration” als Wort möchte ich auch noch was sagen: Der Unmut wurde seitens der Mahnwache-Gruppierung auch groß, wenn man das Wort „Demo” beziehungsweise „Demonstration” statt „Mahnwache” verwendete. Hier ein Zitat aus dem Duden zum Wort „Mahnwache”: „Zusammenkunft von Personen, die an einem öffentlichen Ort gegen etwas protestieren […]” – und was machen Demonstranten auf einer Demonstration? Protestieren. Ich kann verstehen, dass es welche (oder viele) gibt, die das Wort „Demo” beziehungsweise „Demonstration” als negativ assoziieren. Leute, die diese Wörter verwenden, sollte man nicht von Grund auf abwerten und sollte unbedingt auf den Kontext achten.
Manche Leute sind mittlerweile aber so aufgeheizt und sind völlig aus der Fassung. So hat man die ein oder andere Webseite an den Pranger gestellt oder wie in unserem Fall mit einem Anwalt gedroht. Wir erhielten eine Mailboxnachricht zu dem Beitrag „Köln: Mahnwache auf der Domplatte nach Gleis-Attacke in Frankfurt” von uns. Zitat: „Schön guten Tag. Wir geben Ihnen eine halbe Stunde Zeit, den Artikel über die Demonstration heute Abend aus dem Internet zu nehmen. Wir würden auch gerne wissen, woher Sie diese Information haben. Wie Sie auch aus sämtlichen Videos entnehmen können: Es ist weder einer rechts, noch einer links. Sie beginnen Rufmord. Rufmord, Unterstellung und, dass hat auch nichts mehr mit Ihrer Pressefreiheit zu tun. Wir werden auch gegen Sie gerichtlich vorgehen, weil das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn Sie es so nötig haben Ihre Berichte zu schreiben und im Internet zu veröffentlichen, dann müssen wir Ihnen auch das Handwerk legen. Handwerk legen nicht im Form von Gewalt, sondern, ja, rechtlich, weil, dass ist, ein Mensch wie Sie darf überhaupt gar keine… Fassungslos. Fassungslos. Wie gesagt: 30 Minuten haben Sie Zeit, es aus den Internetseiten zu entfernen. Rechtliche Schritte wurden schon eingeleitet. In diesem Sinne: Einen wunderschönen guten Abend.”. Ja, fassungslos, fassungslos. Dieses Wort beschreibt genau das, was ich war, nachdem ich diese Mailboxnachricht abgerufen hatte. Dieser Fall zeigt eindeutig, dass welche mit zu vielen Emotionen aufgeladen sind und in der Euphorie Äpfel mit Birnen vergleichen. Wenn man Nachrichten von großen Blätter sieht beziehungsweise hört, wo gesagt wird: „Wir melden uns live aus Köln, denn hier findet seit wenige Minuten eine Mahnwache statt. […] Und hier haben rechte Gruppierungen im Netz zur Teilnahme aufgerufen.” kann man schon verstehen, dass man hier und dort mal was durcheinander bringt und wohl alle verurteilt, die darüber berichten. Wir gehen davon aus, dass der Mann denkt, dass wir die Mahnwache als rechte Gruppierung ansehen (Anmerkung: Nein, tun weder wir, noch ich). Wenn man sich jetzt mal vorstellt, dass man im Internet „überall” falsche Nachrichten/Wahrheiten sieht von Menschen, die gar nicht in diesem Thema involviert sind, kommt man schon mal aus der Fassung und kann Sachen falsch interpretieren – so wie in einigen Fällen, die man in der öffentlichen Facebook Gruppe nach verfolgen konnte, sowie in unserem Fall im Bezug auf die Mailboxnachricht. Ergänzung vom 03.08.2019 um 12:57 Uhr: Mittlerweile haben wir durch Recherchen herausgefunden, wer uns diese Mailboxnachricht hinterlassen hat. Wir gehen aber mittlerweile davon aus, dass die Person es selbst eingesehen hat, dass die ursprüngliche Behauptung, dass wir die Mahnwache Köln als links/rechts einstufen, falsch ist.
Nachdem die Zeit immer näher rückt, sich am Hauptbahnhof zu bewegen, um an der Domplatte die Mahnwache auszuführen, wird die Stimmung immer ruhiger. Man liest im Internet und in der Gruppe, dass man sich auf dem Weg macht, wo genau man sich treffen soll und ähnlichere Inhalte. Einige sind auch entsetzt, dass es so eine große Polizeipräsenz gibt, obwohl man „nur” eine Mahnwache abhalten möchte. Die Mahnwache-Gruppierung kleideten sich zum Teil in weiß (als Zeichen des Friedens) und hielten Botschaften wie „Kein Freibrief für Täter”, „Es Reicht !!!” oder „Gegen Gewalt auf unseren Straßen” in die Luft. Hier und dort wurden ein paar öffentliche Worte getätigt, das Bündnis „Köln gegen Rechts” auf der Stehseite der Mahnwache taten es ebenfalls. Als die Schweigeminute eingeleitet wurde, kamen die Antifa (und andere Gruppierungen) in den Vordergrund: Sie riefen dazwischen und machten ihren Standpunkt klar – Die Mahnwache-Gruppierung verhielt sich aber immer noch ruhig und entspannt. Die Versammlungsleiterin der Mahnwache beendete um 20:36 Uhr die Kundgebung, die Teilnehmer verließen in kleinere Gruppen die Versammlungsfläche.
Die Polizei Köln schreibt ihr ihrer Pressemitteilung, dass es keine „nennenswerte Störungen” gab. Die „Demonstrationen in der Kölner Innenstadt verliefen störungsfrei”. Währenddessen hat im Internet und in der öffentlichen Facebook-Gruppe die Runde gemacht, dass die Sachen wie Kerzen, Botschaften, Plüschtiere und mehr entfernt werden. Die offiziellen Gründen sind nicht klar, angeblich aus Gründen der Sicherheit. Weil mich das persönlich (auch) interessiert, wieso man es so schnell entfernen musste, werde ich Montag bei der Stadt nachfragen. Im Gesamten kann ich aber die Aussage der Polizei Köln unterstreichen: Zumindest auf der Seite der Mahnwache-Gruppierung war es friedlich und zeigten sich immer noch unparteiisch. (rj)