Imp­fun­gen: Mil­lio­nen Impf­do­sen könn­ten in Arzt­pra­xen verfallen

Tisch - Impfstoff - Spritzen - Schalen - Desinfektionsmittel - Handschuhe - Frau Foto: Frau am Tisch zieht Spritzen auf, Urheber: dts Nachrichtenagentur

Haus- und Fach­ärz­te kön­nen bis zu zehn Pro­zent der an sie aus­ge­lie­fer­ten Coro­na-Impf­do­sen wegen man­geln­der Nach­fra­ge nicht verimpfen.

Zu die­sem Ergeb­nis kommt eine bun­des­wei­te Online-Umfra­ge des Zen­tral­in­sti­tuts für die kas­sen­ärzt­li­che Ver­sor­gung in Deutsch­land (Zi) unter rund 5.000 nie­der­ge­las­se­nen Medi­zi­nern, über die der „Spie­gel” berich­tet. Ins­ge­samt spricht das Zi von rund 3,2 Mil­lio­nen Dosen, die in den Pra­xen unge­nutzt blei­ben. Nicht ver­impft wer­den konn­ten dem­nach 1,7 Mil­lio­nen Dosen Biontech (5,1 Pro­zent der gelie­fer­ten Dosen), 1,1 Mil­lio­nen Dosen Astra­ze­ne­ca (17,7 Pro­zent der gelie­fer­ten Dosen) und 400.000 Dosen John­son & John­son (17,4 Pro­zent der gelie­fer­ten Dosen). Bis Ende August 2021 rech­nen die befrag­ten Ärz­te damit, dass sie etwa 4,5 Pro­zent der in Pra­xen vor­han­de­nen Fläsch­chen nicht ver­wen­den werden.

Die Daten zei­gen erst­mals, wie vie­le Impf­do­sen von den nie­der­ge­las­se­nen Medi­zi­nern nicht ver­wen­det wur­den und schlimms­ten­falls ver­fal­len könn­ten. In der Zi-Umfra­ge berich­ten Ärz­te über Vor­be­hal­te der Pati­en­ten gegen die Imp­fung. „Haupt­grün­de für nicht bis­her vor­ge­nom­me­ne Schutz­imp­fun­gen bei den Pati­en­ten sind aus Sicht der Teil­neh­men­den an der Befra­gung dem­nach Ängs­te vor dem Impf­stoff bezie­hungs­wei­se die Furcht vor Neben­wir­kun­gen”, so das Zen­tral­in­sti­tut der Kassenärzte.

Die Umfra­ge zeigt, dass Astra­ze­ne­ca mit 19,8 Pro­zent die höchs­te „Ver­falls­quo­te” hat, beim mRNA-Impf­stoff von Biontech ver­fal­len nur 2,3 Pro­zent. Es sei nicht zu erwar­ten, dass die­se Impf­stof­fe in den Pra­xen noch ver­impft wer­den kön­nen, sag­te Zi-Geschäfts­füh­rer Domi­nik Graf von Still­fried dem „Spie­gel”. „Daher wäre es jetzt sinn­voll, über­schüs­si­gen Covid-19-Vek­torimpf­stoff zu sam­meln und an Län­der des glo­ba­len Südens abzu­ge­ben”. Aller­dings ist nicht vor­ge­se­hen, dass nie­der­ge­las­se­nen Ärz­te über­schüs­si­ge Impf­do­sen zurück­ge­ben kön­nen. Die Medi­zi­ner sind dar­über empört.

Dass die Pra­xen hier­mit allei­ne gelas­sen wer­den, könn­ten vie­le Ärz­te nicht ver­ste­hen, sag­te Still­fried. „Die Ein­däm­mung der Coro­na-Pan­de­mie ist und bleibt eine glo­ba­le Her­aus­for­de­rung. Impf­do­sen, die in Deutsch­land nicht mehr gebraucht wer­den, soll­ten wir daher nicht weg­wer­fen. Das gilt auch für die­je­ni­gen in den Kühl­schrän­ken der Praxen”.

Das Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um ver­weist dage­gen auf recht­li­che Hür­den. „Aus haf­tungs- und arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Grün­den kön­nen wir die Impf­do­sen aus den Arzt­pra­xen nicht zurück­neh­men”, teil­te das Haus von Minis­ter Jens Spahn mit. Damit in Zukunft weni­ger Impf­stof­fe ver­fal­len, appel­lie­ren die nie­der­ge­las­se­nen Ärz­te jetzt an die Indus­trie, statt grö­ße­ren Fläsch­chen Ein­zel­do­sen her­zu­stel­len. „In den Pra­xen besteht die Gefahr, dass Impf­stoff weg­ge­schmis­sen wer­den muss, weil er nur in grö­ße­ren Fläsch­chen ange­bo­ten wer­den”, so Stillfried.

Um ein Vial voll zu nut­zen, müss­ten in kur­zer Zeit sechs oder mehr Impf­lin­ge nahe­zu gleich­zei­tig kom­men. Das sei aber immer sel­te­ner der Fall. Viel­mehr müss­ten die Pati­en­ten jetzt ein­zeln von Imp­fun­gen über­zeugt wer­den. „Um die Impf­quo­te noch zu stei­gern, wäre es wich­tig, dass die Indus­trie den Covid-19-Impf­stoff in Ein­zel­do­sen anbie­tet”, for­dert Still­fried. „Sonst wird es zum Ver­fall von Impf­do­sen aus geöff­ne­ten Vials kom­men, die dann auch nicht mehr gespen­det wer­den können”.

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