Die Zahl der Asylbewerber in der Europäischen Union ist 2022 deutlich angestiegen.
In den ersten zehn Monaten des Jahres seien in der EU fast 790.000 Asylanträge gestellt worden, sagte die Direktorin der Europäischen Asylbehörde EUAA, Nina Gregori, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagausgaben). Dies sei ein Anstieg um 54 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. „Die geopolitischen Entwicklungen in diesem und im vorigen Jahr hatten direkte Auswirkungen auf den Bedarf an internationalem Schutz und führten zu einer zunehmenden Vertreibung in EU-Länder”, sagte Gregori. In den letzten Monaten habe sich dieser Trend noch verstärkt.
Allerdings müsse man berücksichtigen, dass die Zahl der Asylbewerber in diesem Jahr trotz des Anstiegs unter der Zahl der Jahre 2015 und 2016 liegen werde – damals waren jeweils um die 1,3 Millionen Asylbewerber registriert worden. In die neuen Zahlen nicht eingerechnet sind allerdings die Flüchtlinge aus der Ukraine, die nach einer EU-Entscheidung keinen Antrag auf Asyl stellen müssen: In der EU sind nach Gregoris Worten 4,7 Millionen Menschen aus der Ukraine für vorübergehenden Schutz registriert worden.
Sie sagte, die Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine sei in diesem Jahr die größte Herausforderung gewesen, die europäischen Aufnahmesysteme seien damit „unter erheblichen Druck gesetzt” worden. Die Aktivierung der Richtlinie über vorübergehenden Schutz habe aber einen Zusammenbruch der nationalen Asylsysteme in der EU verhindert. Gregori sagte, der Anstieg der Asylbewerber-Zahlen werde in absehbarer Zeit anhalten. „Instabilität und Bedrohungen der menschlichen Sicherheit sind ein Merkmal der Welt, in der wir leben. Leider sind sie nicht vorübergehend”.
Zuletzt waren nach Behörden-Daten Migranten aus Syrien die größte Gruppe von Asylantrag-Stellern in der EU, gefolgt von Menschen aus Afghanistan und aus der Türkei. Die Entwicklung in der EU entspricht auch dem Trend in Deutschland. Hier waren nach Daten des Bundesamtes für Migration bis Ende November knapp 190.000 Asylbewerber mit Erstanträgen registriert worden – dies entspricht laut BAMF einem Anstieg um 43,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahres-Zeitraum.
Deutschland bleibt damit weiter wichtigstes Zielland für Asylbewerber in der EU. Die EUAA-Chefin mahnte auch Fortschritte bei der geplanten EU-Asyl- und Migrationsreform an. Sie begrüße die Ankündigung auf EU-Ebene, dass eine strukturelle Lösung für das Asyl- und Migrationsmanagement bis zu den Europawahlen 2024 gefunden werden solle; über ein Gesetzespaket zur Reform des europäischen Asylsystems wird bereits seit mehreren Jahren ergebnislos diskutiert. „Fortschritte bei diesen Themen sind wichtig”, mahnte Gregori. Das EUAA ist als europäische Asylagentur die Nachfolgebehörde des bisherigen EASO und hat mit einer Reform zu Jahresanfang mehr Kompetenzen erhalten.