Nach Jahren milliardenschwerer Überschüsse trübt sich die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) spürbar ein.
„Allein in diesem Jahr rechnen wir aufgrund des Terminservicegesetzes und des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes mit fünf Milliarden Euro Mehrausgaben”, sagte Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes der „Welt am Sonntag”. Dank der „vorsorgenden Haushaltsplanung der gesetzlichen Krankenkassen” habe es zum Jahresanfang zwar kaum Beitragsanstiege gegeben.
„Im kommenden Jahr wird es allerdings schwieriger aussehen, denn viele der beschlossenen Gesetze führen zu dauerhaft höheren Ausgaben. Und wenn die Rücklagen erst mal aufgebraucht sind, führt kein Weg an höheren Beiträgen vorbei.” Ende 2018 hatten die Krankenkassen noch ein Plus von rund zwei Milliarden Euro erwirtschaftet.
Das vergangene Jahr dürften die Krankenkassen nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes nun mit einem Minus von über einer Milliarde Euro abschließen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte stets auf die Finanzreserven der GKV von mehr als 20 Milliarden Euro verwiesen und die Kassen aufgefordert, ihre Rücklagen abzubauen. Die jedoch warnen vor einem drastischem Ausgabenanstieg, einerseits durch den medizinischen Fortschritt, aber auch aufgrund der Gesetzgebung.
Gesundheitsökonom Jochen Pimpertz vom IW Köln warnt vor Panikmache. Kurzfristig erwarte der Schätzerkreis des Bundesversicherungsamtes keine extremen Ausschläge. Es sei zwar unbestritten, „dass die Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung langfristig überdurchschnittlich stark steigen werden”. Das liege aber nicht in erster Linie an neuen Gesetzen, sondern am demografischen Wandel, am medizinisch-technischen Fortschritt sowie an einer ineffizienten Steuerung des Gesundheitssystems. „Der Finanzierungsdruck wird deshalb in den kommenden Jahrzehnten kontinuierlich zunehmen”, so Pimpertz zu der „Welt am Sonntag”.
Der Krankenkassenbeitrag setzt sich zusammen aus dem allgemeinen Beitragssatz in Höhe von 14,6 Prozent und dem Zusatzbeitrag, den jede Kasse selbst festlegt. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag steigt 2020 um 0,2 Prozent auf 1,1 Prozent. Zum Jahreswechsel haben 25 der mehr als 100 Krankenkassen in Deutschland ihre Zusatzbeiträge unterschiedlich stark angehoben.
Der Finanzierungsdruck dürfte auch zu einem weiteren Abbau von Zweigestellen führen. Das größte Filialnetz unter den bundesweit geöffneten Kassen hat derzeit die Barmer mit 396 Zweigstellen, gefolgt von der DAK mit 319 Filialen und der TK (193). Das geht aus einer Auswertung des Vergleichsanbieters Kassensuche für die „Welt am Sonntag” hervor. Bei den Regionalen Kassen führe die AOK Bayern mit 250 Zweigstellen vor der AOK Baden-Württemberg mit 230 und der AOK Plus mit 140 Zweigstellen.