Müns­ter: Ober­ver­wal­tungs­ge­richt kippt Handel-Beschränkungen

MediaMarkt - Filiale - Hohe Straße - Köln-Altstadt-Nord/Innenstadt Foto: MediaMarkt-Filiale auf der Hohe Straße (Köln-Altstadt/Innenstadt)

Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Vor­schrif­ten der Coro­naschutz­ver­ord­nung zur Beschrän­kung des Ein­zel­han­dels außer Voll­zug gesetzt.

Auf der Grund­la­ge der aktu­el­len nord­rhein-west­fä­li­schen Coro­naschutz­ver­ord­nung kön­nen seit dem 08. März 2021 wie­der alle Ein­zel­händ­ler öff­nen. Für die schon bis­lang von einer Schlie­ßung aus­ge­nom­me­nen Geschäf­te (etwa Lebens­mit­tel­han­del) bleibt es bei der bis­he­ri­gen Rege­lung, die eine Kun­den­be­gren­zung auf eine Per­son pro 10 qm Ver­kaufs­flä­che bezie­hungs­wei­se pro 20 Qua­drat­me­ter für die 800 Qua­drat­me­ter über­stei­gen­de Gesamtver­kaufsfläche vor­sieht. Im übri­gen Ein­zel­han­del ist der Zutritt grund­sätz­lich nur für einen Kun­den pro 40 Qua­drat­me­ter Ver­kaufs­flä­che und auch nur nach vor­he­ri­ger Ter­min­ver­ga­be zuläs­sig. Aus­ge­nom­men sind hier­von aller­dings die zuvor eben­falls geschlos­se­nen Buch­hand­lun­gen und Schreib­wa­ren­ge­schäf­te. Glei­ches gilt für Blu­men­ge­schäf­te und Gar­ten­märk­te, die bis­lang nur ver­derb­li­che Schnitt- und Topf­blu­men sowie Gemü­se­pflan­zen und Saat­gut ver­kau­fen durf­ten. Für sie gel­ten eben­falls die güns­ti­ge­ren Öff­nungs­mo­da­li­tä­ten. Die­se Rege­lun­gen hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt nun insge­samt vor­läu­fig außer Voll­zug gesetzt.

Zur Begrün­dung hat der 13. Senat aus­ge­führt: Die Beschrän­kun­gen ver­stie­ßen in ihrer der­zei­ti­gen Aus­ge­stal­tung gegen den ver­fas­sungs­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz. Bei der Pan­de­mie­be­kämp­fung bestehe zwar ein Gestal­tungs­spiel­raum des Ver­ord­nungs­ge­bers, der sich in einer kom­ple­xen Ent­schei­dungs­si­tua­ti­on befin­de und nur mit Pro­gno­sen zu den Aus­wir­kun­gen von Beschrän­kun­gen und Locke­run­gen arbei­ten kön­ne. Es sei auch zuläs­sig, schritt­wei­se zu lockern, wobei es zwangs­läu­fig zu Ungleich­be­hand­lun­gen ver­schie­de­ner Berei­che kom­me. Der Ver­ordnungsgeber habe es des­halb grund­sätz­lich für Geschäf­te wie den Lebens­mit­tel­ein­zel­han­del bei den bis­he­ri­gen Rege­lun­gen belas­sen dür­fen, wäh­rend für ande­re Betrie­be vor­läu­fig nur eine redu­zier­te Kun­den­zahl zuge­las­sen wer­de und eine vor­he­ri­ge Ter­min­bu­chung erfor­der­lich sei. Die schritt­wei­se und kon­trol­lier­te Öff­nung wei­te­rer Berei­che des Han­dels müs­se aus Grün­den der Gleich­be­hand­lung nicht zwin­gend mit einer Ver­schär­fung der Öff­nungs­be­din­gun­gen für die bereits bis­lang von der Schlie­ßung aus­ge­nom­me­nen Geschäf­te ein­her­ge­hen. Der Ver­ord­nungs­ge­ber über­schreite aber sei­nen Spiel­raum, wo ein ein­leuch­ten­der Grund für eine wei­te­re Dif­fe­ren­zie­rung feh­le. Dies sei der Fall, soweit nun­mehr auch Buch­hand­lun­gen, Schreib­wa­ren­lä­den und Gar­ten­märk­te mit ihrem gesam­ten Sor­ti­ment unter ver­ein­fach­ten Bedin­gun­gen (grö­ße­re Kun­den­zahl, ohne Ter­min­bu­chung) betrie­ben wer­den dürf­ten. Es erschlie­ße sich nicht und wer­de durch den Ver­ord­nungs­ge­ber auch nicht begrün­det, war­um des­sen Annah­me, die­se Betrie­be deck­ten eben­falls eine Art Grundbe­darf, für sich genom­men ande­re Öff­nungs­mo­da­li­tä­ten recht­fer­ti­gen soll­te als beim übri­gen Ein­zel­han­del. Da nach der nun­mehr gel­ten­den Rechts­la­ge sämt­li­che Geschäf­te  öff­nen dürf­ten, kön­ne das Kri­te­ri­um, ob ein Waren­sor­ti­ment Grund­be­darf sei, eine Bes­ser­stel­lung nicht mehr ohne Wei­te­res begrün­den. Erfor­der­lich wäre viel­mehr, dass der ange­nom­me­ne Grund­be­darf gera­de die Dif­fe­ren­zie­rung in den Öff­nungs­mo­da­li­tä­ten nahelege.

Wegen des untrenn­ba­ren Zusam­men­hangs der Rege­lun­gen zum Han­del hat das Gericht die­se ins­ge­samt vor­läu­fig außer Voll­zug gesetzt. Das bedeu­tet, dass ab so­fort im gesam­ten Ein­zel­han­del in Nord­rhein-West­fa­len kei­ne Kun­den­be­gren­zung pro Qua­drat­me­ter mehr gilt und das Erfor­der­nis der Ter­min­bu­chung ent­fällt. Der Senat hat aller­dings dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es dem Land unbe­nom­men ist, auch kurz­fris­tig eine Neu­re­ge­lung zu tref­fen, die kei­ne unzu­läs­si­gen Dif­fe­ren­zie­run­gen ent­hält. Die durch den Media­Markt gel­tend gemach­ten grund­le­gen­den Beden­ken an der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Beschrän­kun­gen für den Ein­zel­han­del teil­te der Senat nicht. Ins­be­son­de­re sei die Beschrän­kung der Grund­rech­te der Ein­zel­händ­ler ange­sichts der gra­vie­ren­den Fol­gen, die ein erneu­ter unkon­trol­lier­ter Anstieg der Neu­an­ste­ckun­gen für Leben und Gesund­heit einer Viel­zahl von Men­schen hät­te, vor­aus­sicht­lich gerechtfertigt.

Der Antrag rich­te­te sich gegen § 11 Absatz 3 Coro­naschutz­ver­ord­nung. Wegen des untrenn­ba­ren Zusam­men­hangs der in den ein­zel­nen Absät­zen der Vor­schrift ge­troffenen Rege­lun­gen hat das Gericht § 11 Absatz 1 bis 5 Coro­naschutz­ver­ord­nung vor­läu­fig außer Voll­zug gesetzt. Die Vor­schrift lautet:

§ 11 Han­del, Mes­sen und Märkte

(1) Beim Betrieb von:

  1. Ein­rich­tun­gen des Ein­zel­han­dels für Lebens­mit­tel, Direkt­ver­mark­tun­gen von Lebens­mit­teln, Abhol- und Lie­fer­diens­ten sowie Geträn­ke­märk­ten und Kiosken,
  2. Wochen­märk­ten für Ver­kaufs­stän­de mit dem Schwer­punkt Lebens­mit­tel und Güter des täg­li­chen Bedarfs,
  3. Apo­the­ken, Reform­häu­sern, Sani­täts­häu­sern, Baby­fach­märk­ten und Drogerien,
  4. Tank­stel­len, Ban­ken und Spar­kas­sen sowie Post­stel­len und Schreibwarengeschäften,
  5. Buch­hand­lun­gen und Zeitungsverkaufsstellen,
  6. Fut­ter­mit­tel­märk­ten und Tierbedarfsmärkten,
  7. Blu­men­ge­schäf­ten und Gartenmärkten,
  8. Ein­rich­tun­gen des Groß­han­dels für Groß­han­dels­kun­den und, beschränkt auf den Ver­kauf von Lebens­mit­teln, auch für End­kun­den sowie
  9. bei der Abga­be von Lebens­mit­teln durch sozia­le Ein­rich­tun­gen (z.B. die Tafeln)

darf die Anzahl von gleich­zei­tig anwe­sen­den Kun­din­nen und Kun­den jeweils eine Kun­din bezie­hungs­wei­se einen Kun­den pro ange­fan­ge­ne zehn Qua­drat­me­ter der Ver­kaufs­flä­che im Sin­ne des Ein­zel­han­dels­er­las­ses NRW nicht über­stei­gen; in Han­dels­ein­rich­tun­gen mit einer Gesamt­ver­kaufs­flä­che von mehr als 800 Qua­drat­me­tern darf die­se Anzahl 80 Kun­din­nen bezie­hungs­wei­se Kun­den zuzüg­lich jeweils eine Kun­din bezie­hungs­wei­se einen Kun­den pro ange­fan­ge­ne 20 Qua­drat­me­ter der über 800 Qua­drat­me­ter hin­aus­ge­hen­den Ver­kaufs­flä­che nicht über­stei­gen. In Ein­rich­tun­gen des Ein­zel­han­dels für Lebens­mit­tel und auf Wochen­märk­ten darf das Sor­ti­ment sol­cher Waren, die nicht Lebens­mit­tel und Güter des täg­li­chen Bedarfs sind, nicht gegen­über dem bis­he­ri­gen Umfang aus­ge­wei­tet werden.

(2) Der Betrieb von Bau­märk­ten sowie Bau­stoff­han­dels­ge­schäf­ten ist zur Ver­sor­gung von Gewer­be­trei­ben­den mit Gewer­be­schein, Hand­wer­kern mit Hand­wer­ker­aus­weis sowie Land- und Forst­wir­ten mit den jeweils betriebs­not­wen­di­gen Waren in ent­spre­chen­der Anwen­dung von Absatz 1 zuläs­sig. Ande­ren Per­so­nen darf der Zutritt nur gestat­tet werden,1. zu einem räum­lich abge­trenn­ten Bereich mit eige­nem Ein­gang und eige­nem Kas­sen­be­reich mit dem typi­schen Sor­ti­ment eines Gar­ten­markts in ent­spre­chen­der Anwen­dung von Absatz 1 Satz 1 Num­mer 7,2. zur gesam­ten Ver­kaufs­flä­che des Bau­markts oder Bau­stoff­han­dels­ge­schäfts in ent­spre­chen­der Anwen­dung von Absatz 3, wobei sich in die­sem Fall die zuläs­si­ge Kun­den­zahl ins­ge­samt, also ein­schließ­lich der in Satz 1 genann­ten Kun­den­grup­pen, nach Absatz 3 Satz 1 bestimmt.

(3) Beim Betrieb von nicht in Absatz 1 und Absatz 2 genann­ten Ver­kaufs­stel­len des Ein­zel­han­dels sowie von Ein­rich­tun­gen zum Ver­trieb von Rei­se­leis­tun­gen darf die Anzahl von gleich­zei­tig anwe­sen­den Kun­din­nen und Kun­den jeweils eine Kun­din bezie­hungs­wei­se einen Kun­den pro ange­fan­ge­ne vier­zig Qua­drat­me­ter der Ver­kaufs­flä­che im Sin­ne des Ein­zel­han­dels­er­las­ses NRW nicht über­stei­gen. Zutritt dür­fen Kun­din­nen und Kun­den nur nach vorheri­ger Ter­min­bu­chung für einen fest begrenz­ten Zeit­raum und bei sicher­ge­stell­ter ein­fa­cher Rück­ver­folg­bar­keit nach § 4a Absatz 1 erhalten.

(4) Für Ver­kaufs­stel­len mit gemisch­tem Sor­ti­ment, das auch Waren umfasst, die dem regel­mä­ßi­gen Sor­ti­ment einer der in Absatz 1 Satz 1 genann­ten Ver­kaufs­stel­len ent­spre­chen, gilt: bil­den die­se Waren den Schwer­punkt des Sor­ti­ments, rich­tet sich der Betrieb der Ver­kaufs­stel­le ins­ge­samt nach Absatz 1, ande­ren­falls ist ent­we­der der Ver­kauf auf die­se Waren zu beschrän­ken und dabei Absatz 1 zu beach­ten oder ins­ge­samt nach Absatz 3 zu verfahren.

(5) Inner­halb von Ein­kaufs­zen­tren, Ein­kaufs­pas­sa­gen und ähn­li­chen Ein­rich­tun­gen ist für jede räum­lich abge­trenn­te Ver­kaufs­stel­le die ent­spre­chen­de Höchst­kun­den­zahl gemäß Absatz 1 oder Absatz 3 maß­geb­lich. Zudem muss die für die Gesamt­an­la­ge ver­ant­wort­li­che Per­son sicher­stel­len, dass nicht mehr Kun­din­nen und Kun­den Zutritt zur Gesamt­an­la­ge erhal­ten als in Sum­me für die Ver­kaufs­ge­schäf­te nach den jeweils zuläs­si­gen Per­so­nen­zah­len zuläs­sig sind. Zusätz­lich kann bezo­gen auf die All­ge­mein­flä­che 1 Per­son je 20 Qua­drat­me­ter All­ge­mein­flä­che in die zuläs­si­ge Gesamt­per­so­nen­zahl für die Gesamt­an­la­ge ein­ge­rech­net wer­den. Durch ein abge­stimm­tes Ein­lass­ma­nage­ment ist sicher­zu­stel­len, dass im Innen­be­reich War­te­schlan­gen mög­lichst ver­mie­den wer­den. Befin­det sich in einer Ver­kaufs­stel­le ein oder meh­re­re wei­te­re Geschäf­te ohne räum­li­che Abtren­nung (zum Bei­spiel eine Bäcke­rei im räum­lich nicht abge­trenn­ten Ein­gangs­be­reich eines Lebens­mit­tel­ge­schäf­tes), so ist die für die Gesamt­flä­che zuläs­si­ge Kun­den­zahl nach den für die Haupt­ver­kaufs­stel­le maß­geb­li­chen Vor­schrif­ten zu berechnen.

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