Müns­ter: Sus­pen­die­rung wegen rechts­extre­mer Chats rechtswidrig

Oberverwaltungsgericht - Behörde - Aegidiikirchplatz - Münster Foto: Oberverwaltungsgericht NRW am Aegidiikirchplatz (Münster)

Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat ent­schie­den, dass das aus­ge­spro­che­ne Dienst­ver­bot einer Poli­zis­tin rechts­wid­rig ist.

Die 21-Jäh­ri­ge befin­det sich im Beam­ten­ver­hält­nis auf Wider­ruf und ist dem Poli­zei­prä­si­di­um Düs­sel­dorf zur Aus­bil­dung zuge­wie­sen. Nach­dem am 16. Sep­tem­ber 2020 Lan­des­in­nen­mi­nis­ter Reul die Auf­de­ckung rechts­extre­mer Chat­grup­pen in der nord­rhein-west­fä­li­schen Poli­zei öffent­lich gemacht hat­te und hier­zu „Sen­si­bi­li­sie­rungs­ge­sprä­che” geführt wor­den waren, wand­te sie sich an ihre Dienst­stel­len­lei­tung. Sie gab an, sie habe die Gesprä­che zum Anlass genom­men, die auf ihrem Smart­phone gespei­cher­ten Nach­rich­ten durch­zu­se­hen. Dabei habe sie in meh­re­ren Whats­App-Grup­pen ein­zel­ne pro­ble­ma­ti­sche Bild­da­tei­en und Sti­cker fest­ge­stellt. Drei von vier betrof­fe­nen Chat­grup­pen gehör­ten aus­schließ­lich Kom­mis­sar­an­wär­ter und ‑anwär­te­rin­nen an.

Das Poli­zei­prä­si­di­um Düs­sel­dorf hat die Beam­tin dar­auf­hin vom Dienst sus­pen­diert. Zur Begrün­dung hieß es, sie ste­he im Ver­dacht, eine mit einer demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung unver­ein­ba­re Gesin­nung zu tei­len und sei cha­rak­ter­lich für den Poli­zei­voll­zugs­dienst unge­eig­net, weil sie die Nach­rich­ten auf ihrem Smart­phone belas­sen und ihrer Ver­brei­tung nicht ent­ge­gen­ge­wirkt habe. Das Ver­wal­tungs­ge­richt Düs­sel­dorf hat dies für recht­mä­ßig gehal­ten. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat der dage­gen gerich­te­ten Beschwer­de der Poli­zei­be­am­tin nun­mehr stattgegeben.

In der Begrün­dung sei­nes Eil­be­schlus­ses hat der 6. Senat betont, er tei­le die Ansicht des Ver­wal­tungs­ge­richts, dass die betrof­fe­nen Nach­rich­ten teils ras­sis­ti­schen, anti­se­mi­ti­schen oder den Natio­nal­so­zia­lis­mus befür­wor­ten­den Cha­rak­ter hät­ten und daher mit den Wer­ten der frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung unver­ein­bar sei­en. Ein Kom­mis­sar­an­wär­ter, der der­ar­ti­ge Inhal­te ver­sen­de oder zustim­mend kom­men­tie­re, begrün­de regel­mä­ßig Zwei­fel an sei­ner cha­rak­ter­li­chen Eig­nung und kön­ne ent­las­sen wer­den. Der Fall der Antrag­stel­le­rin lie­ge jedoch anders. Sie habe die Bil­der weder selbst ver­brei­tet noch kommentiert.

Ange­sichts der erheb­li­chen Zahl von Whats­App-Nach­rich­ten (337.525 in 790 Chats) bezie­hungs­wei­se Bild­da­tei­en (172.214) auf ihrem Smart­phone kön­ne ihr auch geglaubt wer­den, dass sie die acht inak­zep­ta­blen Nach­rich­ten erst wahr­ge­nom­men habe, nach­dem sie ange­sto­ßen durch den Innen­mi­nis­ter und die sen­si­bi­li­sie­ren­den Gesprä­che in ihrer Dienst­stel­le ihr Smart­phone durch­sucht habe. Abge­se­hen davon habe das Poli­zei­prä­si­di­um Düs­sel­dorf in ihrem Fall Maß­stä­be ange­legt, die sich in nicht nach­voll­zieh­ba­rer Wei­se von den­je­ni­gen unter­schie­den, die es in den übri­gen Fäl­len zugrun­de gelegt habe.

Wäh­rend die Antrag­stel­le­rin als Hin­weis­ge­be­rin sus­pen­diert wor­den sei und ent­las­sen wer­den sol­le, habe das Poli­zei­prä­si­di­um gegen­über den ande­ren Kom­mis­sar­an­wär­tern aus den Chat­grup­pen kei­ne Maß­nah­men ergrif­fen, ins­be­son­de­re weder Sus­pen­die­run­gen noch Ent­las­sun­gen aus­ge­spro­chen. Erst auf Nach­fra­ge des Senats im Beschwer­de­ver­fah­ren habe das Poli­zei­prä­si­di­um erklärt, nun­mehr Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet zu haben. Der Umstand, dass die Antrag­stel­le­rin, nicht aber die ande­ren Poli­zei­be­am­ten auf die Nach­rich­ten auf­merk­sam gemacht hät­ten, sei weder ihr zugu­te gehal­ten noch – soweit bekannt – den ande­ren nega­tiv ange­las­tet worden.

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