NRW: Durch Coro­na sieht Land eine Kriminalitäts-Verschiebung

Stacheldraht - Schutzmauer - Gefängnis - Justizvollzugsanstalt Foto: Sicht auf eine Schutzmauer mit Stacheldraht (Gefängnis), Urheber: dts Nachrichtenagentur

Im ver­gan­ge­nen Jahr ist die Kri­mi­na­li­tät in Nord­rhein-West­fa­len noch ein­mal zurückgegangen.

Die Zahl aller regis­trier­ten Straf­ta­ten in der Poli­zei­li­chen Kri­mi­nal­sta­tis­tik ist 2020 um 12.166 auf ins­ge­samt 1.215.763 Fäl­le gesun­ken. Das ist ein Minus von einem Pro­zent im Ver­gleich zum Vor­jahr. Bereits in den zurück­lie­gen­den fünf Jah­ren nahm die Kri­mi­na­li­tät kon­ti­nu­ier­lich ab. Im ver­gan­ge­nen Jahr konn­te das Innen­mi­nis­te­ri­um den nied­rigs­ten Wert seit 30 Jah­ren ver­mel­den. 2020 hat die Poli­zei 641.901 Taten auf­ge­klärt – eine Auf­klä­rungs­quo­te von 52,8 Prozent.

Innen­mi­nis­ter Her­bert Reul: „Die Poli­zei­li­che Kri­mi­nal­sta­tis­tik ist eine Coro­na-Sta­tis­tik. Da gibt es eine Kri­mi­na­li­täts-Ver­schie­bung”. Wäh­rend Woh­nungs­ein­brü­che um 2.077 Fäl­le (- 7,7 Pro­zent) und Stra­ßen­kri­mi­na­li­tät um 6.818 Fäl­le (- 2,3 Pro­zent) zurück­ge­gan­gen sind, hat die Poli­zei 2.071 mehr Fäl­le von Häus­li­cher Gewalt (+ 7,7 Pro­zent), 1.828 mehr Fäl­le von Taschen­dieb­stahl (+ 5,9 Pro­zent) und 4.176 mehr Fäl­le von Com­pu­ter­kri­mi­na­li­tät (+ 20,8 Pro­zent) verzeichnet.

Bei der Com­pu­ter­kri­mi­na­li­tät sind ins­ge­samt 24.294 Fäl­le regis­triert wor­den, 2019 waren es 20.118 Fäl­le. Reul: „Hier zeigt sich deut­lich der Coro­na-Effekt auf die Kri­mi­nal­sta­tis­tik. Auf­grund der Pan­de­mie fin­det das Leben jetzt online statt und das Ver­bre­chen kommt hin­ter­her”. Gestie­gen ist unter ande­rem der Waren­be­trug im Inter­net: So haben Fäl­scher die gro­ße Nach­fra­ge nach Gesund­heits­ar­ti­keln aus­ge­nutzt und in Online-Shops gefälsch­te Des­in­fek­ti­ons­mit­tel, Mas­ken, Tests, Test­be­schei­ni­gun­gen und schließ­lich gefälsch­te Impf­stof­fe angeboten.

Zum ers­ten Mal wur­de die Poli­zei­li­che Kri­mi­nal­sta­tis­tik für Nord­rhein-West­fa­len im Hin­blick auf Häus­li­che Gewalt ana­ly­siert. Dar­un­ter fal­len Straf­ta­ten, bei denen Opfer und Tat­ver­däch­ti­ge im gemein­sa­men Haus­halt leben. Das Lan­des­kri­mi­nal­amt hat die­se erst­mals geson­dert für das Jahr 2020 und rück­bli­ckend auch für 2019 aus­ge­wer­tet. Grund dafür war unter ande­rem die Ver­mu­tung, dass durch Coro­na die Gewalt im häus­li­chen Umfeld ange­stie­gen sein könn­te. Laut Poli­zei­li­cher Kri­mi­nal­sta­tis­tik gab es im Jahr 2020 ins­ge­samt 29.155 Fäl­le; ein Plus zu 2019 von 7,7 Pro­zent. Dabei wur­den 32.705 Opfer Häus­li­cher Gewalt erfasst. 22.905 Opfer (70 Pro­zent) waren Frau­en und 9.800 Opfer (30 Pro­zent) Män­ner. „Das Dun­kel­feld bei Häus­li­cher Gewalt ist groß. Das müs­sen wir wei­ter auf­hel­len, um die Straf­ta­ten noch bes­ser auf­klä­ren zu kön­nen. Bei die­sen Delik­ten han­delt es sich ganz über­wie­gend um Gewalt gegen Frau­en. Sie müs­sen wir noch bes­ser schüt­zen”, so Reul. Dass die Zahl bei die­sem Delikt wäh­rend der Coro­na-Pan­de­mie ange­stie­gen ist, war lan­ge ver­mu­tet wor­den und ist nun mit vali­den Daten belegt.

Posi­tiv hat sich die Pan­de­mie auf die Zah­len des Woh­nungs­ein­bruch­dieb­stahls aus­ge­wirkt. 2020 sind die­se Fäl­le von 26.857 auf 24.780 gesun­ken (- 7,7 Pro­zent). „Hier setzt sich eine Ent­wick­lung fort, die wir schon vor eini­gen Jah­ren ange­sto­ßen haben und die Coro­na ver­stärkt hat”, sagt Innen­mi­nis­ter Reul. In Nord­rhein-West­fa­len ist die Zahl des Woh­nungs­ein­bruch­dieb­stahls seit 2017 um 52,9 Pro­zent zurück­ge­gan­gen. Eben­falls posi­tiv beein­flusst hat die Pan­de­mie die Stra­ßen­kri­mi­na­li­tät. Dazu gehö­ren bei­spiels­wei­se Raub­über­fäl­le und Kfz-Dieb­stäh­le. Hier hat die Poli­zei 290.870 Fäl­le regis­triert. Das waren 6.818 Fäl­le weni­ger als 2019 (- 2,3 Prozent).

Gestie­gen sind im ver­gan­ge­nen Jahr Betrugs­straf­ta­ten zum Nach­teil älte­rer Men­schen. Dabei ver­su­chen Kri­mi­nel­le durch Ablen­kung oder Täu­schung an das Ver­mö­gen der Senio­ren zu kom­men. Im Jahr 2020 gab es ins­ge­samt 2.621 Betrugs­straf­ta­ten zum Nach­teil älte­rer Men­schen. Das ist ein Plus von 718 Fäl­len oder 37,7 Pro­zent im Ver­gleich zum Vor­jahr. „Betrü­ger geben sich längst nicht mehr nur als Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge aus. Wir hat­ten es wäh­rend Coro­na auch ver­stärkt mit fal­schen Ärz­ten oder fal­schen Ord­nungs­amts­mit­ar­bei­tern zu tun”, so der Minis­ter. 2020 sind 13,2 Pro­zent aller Straf­ta­ten zum Nach­teil älte­rer Men­schen auf den soge­nann­ten Enkel­trick ent­fal­len. 608 Fäl­le oder 23,2 Pro­zent sind unter dem Phä­no­men „fal­sche Amts­trä­ger“ regis­triert wor­den. Die Scha­dens­sum­me beläuft sich auf rund 25,3 Mil­lio­nen Euro (+ 31,8 Pro­zent). „Nicht mess­bar ist der see­li­sche Schmerz, den die­se Straf­ta­ten bei älte­ren Mit­bür­gern ver­ur­sa­chen. Die Men­schen schä­men sich, sind gede­mü­tigt und haben teil­wei­se alles ver­lo­ren – ihr Geld und ihren Glau­ben an die Gesell­schaft”, urteilt Minis­ter Reul.

Bei den klas­si­schen Straf­ta­ten spie­gelt sich das Enga­ge­ment der Poli­zei Nord­rhein-West­fa­len wider: So hat es im ver­gan­ge­nen Jahr 372 Mord- und Tot­schlags­fäl­le gege­ben; ein Minus von 40 Fäl­len. Hier ist es in 274 Fäl­len beim Ver­such geblie­ben. Der Minis­ter sieht dies als eine tol­le Ent­wick­lung, die die gute Arbeit der Poli­zei unter­streicht. Es sei­en zehn Pro­zent weni­ger Men­schen, die ihr Leben ver­lo­ren haben. In Bezug auf Mord und Tot­schlag ver­weist Reul auf die bestän­dig gute Auf­klä­rungs­quo­te von 93,8 Pro­zent. Zurück­ge­gan­gen ist auch die Gewalt­kri­mi­na­li­tät, zu der etwa Fäl­le von gefähr­li­cher und schwe­rer Kör­per­ver­let­zung zäh­len, und zwar auf 43.257 Delik­te. Ein Minus von 944 Fäl­len. Bei der Gewalt­kri­mi­na­li­tät hat die Poli­zei 76,5 Pro­zent aller Fäl­le auf­klä­ren kön­nen. Das sind rund 33.000 Delikte.

Ins­be­son­de­re in den Berei­chen Kin­der­por­no­gra­fie (4.776 Fäl­le, + 102,5 Pro­zent) und Kin­des­miss­brauch (3.553 Fäl­le, + 19,5 Pro­zent) ist der Zuwachs der auf­ge­deck­ten Fäl­le auf die Arbeit der Ermitt­ler zurück­zu­füh­ren. Nach den Miss­brauchs­fäl­len in Lüg­de hat das Innen­mi­nis­te­ri­um die Anstren­gun­gen im Kampf gegen sexu­el­len Miss­brauch von Kin­dern inten­si­viert: Ver­vier­fa­chung des Per­so­nals, mehr als 30 Mil­lio­nen Euro für Tech­nik und ein eige­nes Refe­rat im Minis­te­ri­um. „Die Fäl­le sind nicht mehr gewor­den, wir sehen sie nur end­lich. Der Anstieg ist ein trau­ri­ges Arbeits­zeug­nis unse­rer Anstren­gun­gen. Weil wir hin­se­hen und kon­se­quent ver­fol­gen, fin­den wir mehr. Wir hel­len das Dun­kel­feld auf. Dass Kin­des­miss­brauch über­all pas­siert, muss uns als Gesell­schaft noch bewuss­ter wer­den”, erklärt Reul. Bei Kin­der­por­no­gra­fie haben die Ermitt­ler 89,8 Pro­zent der Fäl­le auf­ge­klärt, bei Kin­des­miss­brauch 81,3 Prozent.