Ber­lin: Regie­rung stritt mona­te­lang über afgha­ni­sche Ortskräfte

Bundeswehr - Militär - Soldaten - Personen - Waffen - Uniform - Wiese Foto: Deutsche Bundessoldaten mit Gewehren, Urheber: dts Nachrichtenagentur

Die Bun­des­re­gie­rung hat offen­bar mona­te­lang über das Ver­fah­ren zur schnel­le­ren Aus­rei­se von afgha­ni­schen Orts­kräf­ten gestritten.

Das geht aus inter­nen Sit­zungs­pro­to­kol­len her­vor, über die der „Spie­gel” berich­tet. Bereits am 29. April 2021, weit vor dem Beginn der Tali­ban-Offen­si­ve, kamen dem­nach Beam­te von Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um, Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um, Ent­wick­lungs­hil­fe­mi­nis­te­ri­um und des Aus­wär­ti­gen Amts zu einer Bespre­chung über das „Orts­kräf­te­ver­fah­ren” zusammen.

Der Ver­tre­ter des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums sag­te dem­nach, man müs­se in den kom­men­den zwei Mona­ten mit Auf­nah­me­an­trä­gen von 1.500 Orts­kräf­ten, im Beam­ten­jar­gon „OK”, rech­nen. Ein Groß­teil von ihnen habe aber kei­ne afgha­ni­schen Päs­se oder sons­ti­ge Iden­ti­täts­do­ku­men­te. Das Aus­wär­ti­ge Amt schlug dar­auf­hin vor, die Auf­ent­halts­ge­neh­mi­gun­gen für die Orts­kräf­te nicht in einem lang­wie­ri­gen Ver­fah­ren vor der Aus­rei­se, son­dern erst nach Lan­dung in Deutsch­land aus­zu­stel­len. Das lehn­te das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um laut Pro­to­koll der Sit­zung ab. Es dür­fe „kei­ne Pau­schal­lö­sung ohne indi­vi­du­el­le Gefähr­dungs­prü­fung” geben, sag­ten die Ver­tre­ter von Horst See­ho­fer. Ein obli­ga­to­ri­scher Sicher­heits­check müs­se zudem „vor Ein­rei­se abge­schlos­sen” sein.

Auch die Idee, die Orts­kräf­te mit Char­ter­flü­gen außer Lan­des zu brin­gen, wur­de ver­wor­fen. Das sen­de ein „fal­sches Signal”, sag­te der Ver­tre­ter des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums. Ent­wick­lungs­mi­nis­ter Gerd Mül­ler warn­te, es dür­fe bei dem gesam­ten Pro­zess in Afgha­ni­stan „kei­ne Ver­un­si­che­rung” ent­ste­hen, argu­men­tier­ten die Ver­tre­ter sei­nes Hau­ses, des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Ent­wick­lung, „da sonst bei den BMZ OK sowie im inter­na­tio­na­len Kon­text eine Ket­ten­re­ak­ti­on aus­ge­löst wer­den könnte”.

Obwohl Bun­des­kanz­le­rin Ange­la Mer­kel bereits Mit­te Juli auf die Anmie­tung von Char­ter­flug­zeu­gen gedrängt hat­te, wur­de die­se Lösung von den betei­lig­ten Res­sorts wie­der ver­wor­fen. „Der­zeit besteht nach Ein­schät­zung der Res­sorts mit Blick auf ver­füg­ba­re Lini­en­flü­ge noch kei­ne Not­wen­dig­keit für Char­ter­maß­nah­men”, hieß es im Pro­to­koll einer Res­sort­be­spre­chung am 30. Juli 2021. Sowohl das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um als auch das Innen- und das Ent­wick­lungs­hil­fe­mi­nis­te­ri­um hiel­ten „mit Blick auf die im jewei­li­gen Bereich der­zeit noch eher gerin­ge Zahl der aktu­ell aus­rei­se­wil­li­gen und unter­stüt­zungs­be­dürf­ti­gen Fami­li­en eine Buchung auf Lini­en­flü­gen für pragmatisch”.

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