Poli­tik: Bun­des­re­gie­rung wegen Inhaf­tie­run­gen in der Tür­kei kritisiert

Flagge - Türkei - rot-weiß - Fahnenmast - Fahne - Mast Foto: Sicht auf die türkische Flagge an einem Fahnenmast, Urheber: dts Nachrichtenagentur

Aktu­ell befin­den sich 59 deut­sche Staats­bür­ger wegen unter­schied­li­cher Tat­vor­wür­fe in tür­ki­scher Haft.

Das geht aus einer Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf eine Klei­ne Anfra­ge der Grü­nen-Bun­des­tags­frak­ti­on zur Tür­kei-Poli­tik der Gro­ßen Koali­ti­on her­vor, über wel­che die „Welt” (Mitt­wochs­aus­ga­be) berich­tet. Eine Ein­schät­zung, ob in Tei­len die­ser Fäl­le juris­ti­sche „Will­kür­lich­keit” vor­lie­ge, habe die Bun­des­re­gie­rung abgelehnt.

Dazu habe man nicht alle nöti­gen Infor­ma­tio­nen, hieß es in der Ant­wort. „Es ist schon bemer­kens­wert. Das Aus­wär­ti­ge Amt warnt in sei­nen Rei­se- und Sicher­heits­hin­wei­sen vor ‘will­kür­li­chen Fest­nah­men’ in der Tür­kei. Die Bun­des­re­gie­rung bestä­tigt, dass ‘auch Äuße­run­gen, die nach deut­schem Rechts­ver­ständ­nis von der Mei­nungs­frei­heit gedeckt’ sind, in der Tür­kei zu will­kür­li­chen Fest­nah­men füh­ren kön­nen. Über die Umstän­de der aktu­ell 59 deut­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen aber, die sich in tür­ki­scher Haft befin­den, weiß die Bun­des­re­gie­rung offen­kun­dig nur bedingt Bescheid”, sag­te die Grü­nen-Poli­ti­ke­rin und Bun­des­tags­vi­ze­prä­si­den­tin Clau­dia Roth.

Seit Jah­ren ver­su­che die tür­ki­sche Regie­rung unter Prä­si­dent Recep Tayyip Erdo­gan, ihre Kri­ti­ker ein­zu­schüch­tern und mund­tot zu machen. Unter die­sen Umstän­den sei es ein­deu­tig zu wenig, wenn sie nun dar­auf ver­wei­se, „nicht alle Infor­ma­tio­nen zum jewei­li­gen Straf­ver­fah­ren” lägen vor und eine „abschlie­ßen­de juris­ti­sche Ein­ord­nung” zur Will­kür­lich­keit der Fest­nah­men sei nicht mög­lich, so die Grü­nen-Poli­ti­ke­rin wei­ter. Sie for­de­re die Bun­des­re­gie­rung auf, „alles dafür tun, die nöti­gen Infor­ma­tio­nen ein­zu­ho­len. Und sie muss ent­spre­chen­den Druck aus­üben, auch wirt­schaft­li­chen, solan­ge die Pra­xis will­kür­li­cher Fest­nah­men anhält – ob die Betrof­fe­nen nun deutsch sind oder nicht”, sag­te Roth.

„Die Bun­des­re­gie­rung warnt alle Tür­kei­rei­sen­den, ein ‘Like‘ im Inter­net könn­te ihnen zum fata­len Ver­häng­nis wer­den, kur­belt gleich­zei­tig aber gemein­sam mit Anka­ra unkom­men­tiert den Tou­ris­mus in der Tür­kei an”, kri­ti­sier­te auch der Grü­nen-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Cem Özd­emir. Er for­de­re „kein Rei­sen mit Maul­korb, son­dern eine kohä­ren­te Tür­kei­po­li­tik, die auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung und Rechts­staat­lich­keit” set­ze. Der Bun­des­re­gie­rung feh­le „das Rück­grat, um Anka­ra unmiss­ver­ständ­lich klar zu machen, wo die Gren­zen der Zusam­men­ar­beit sind”, so der Grü­nen-Poli­ti­ker weiter.

Im Bezug auf die Umtrie­be radi­ka­ler Erdo­gan-Unter­stüt­zer in Deutsch­land zeigt die Bun­des­re­gie­rung Kennt­nis­de­fi­zi­te. Nach einem der Bericht der „Welt” gefragt, wonach ein ehe­ma­li­ges Mit­glied der mitt­ler­wei­le ver­bo­te­nen rocker­ähn­li­chen Ban­de Osma­nen Ger­ma­nia aus Solin­gen bes­te Ver­bin­dun­gen zur tür­ki­schen Regie­rung unter­hält, teil­te die Bun­des­re­gie­rung mit, es lägen kei­ne Erkennt­nis­se vor. Die Zei­tung hat­te zuvor berich­tet, dass der jun­ge Geschäfts­mann, der zur Füh­rungs­rie­ge der Osma­nen Ger­ma­nia gehör­te, unter ande­rem bei der G20-Außen­mi­nis­ter­kon­fe­renz in Bonn im Febru­ar 2017 Zugang zum Sicher­heits­be­reich erhal­ten habe – offen­bar als Teil der tür­ki­schen Entourage.

Die Ant­wort auf die Anfra­gen der Grü­nen lege nahe, dass das ehe­ma­li­ge Osma­nen-Mit­glied dabei unter dem Radar der deut­schen Sicher­heits­be­hör­den geblie­ben sei, berich­tet die Zei­tung wei­ter. Özd­emir kri­ti­siert die Unkennt­nis scharf: „Es ist ein Unding, dass sich ein füh­ren­des Mit­glied einer mitt­ler­wei­le gott­sei­dank ver­bo­te­nen Schlä­ger­trup­pe von Gna­den Erdo­gans frei im Sicher­heits­be­reich des G20-Gip­fels bewe­gen konn­te, ohne dass die Bun­des­re­gie­rung davon Ahnung hat­te”, sag­te er. Dazu müs­se die Bun­des­re­gie­rung „nun klar Stel­lung bezie­hen. Wie viel wol­len Uni­on und SPD Erdo­gan eigent­lich noch durch­ge­hen las­sen?”, so der Grü­nen-Poli­ti­ker weiter.

Roth for­der­te zudem ein Ende der Waf­fen­ex­por­te in die Tür­kei. Die Ankün­di­gung der Regie­rung „kei­ne neu­en Geneh­mi­gun­gen für Expor­te für Rüs­tungs­gü­ter in die Tür­kei zu ertei­len, die in Syri­en zum Ein­satz kom­men könn­ten” sei „völ­lig unge­nü­gend”. Sie hal­te gleich zwei Hin­ter­tü­ren offen: „Ers­tens bezieht sie sich nur auf einen Teil der Rüs­tungs­expor­te, zwei­tens sol­len bereits geneh­mig­te Lie­fe­run­gen wei­ter­ge­hen. Bei­des hal­te ich gemäß den deut­schen und euro­päi­schen Export­richt­li­ni­en für nicht ver­tret­bar”, sag­te Roth der „Welt”. Alle deut­schen Rüs­tungs­expor­te in die Tür­kei gehör­ten „umge­hend gestoppt, bereits erteil­te Geneh­mi­gun­gen müs­sen wider­ru­fen wer­den”, for­der­te die Bundestagsvizepräsidentin.

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