Die von Bundesinnenminister Horst Seehofer geplante allgemeine Bürgernummer ist verfassungsrechtlich problematisch.
Das geht aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hervor, über das die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntagausgaben) berichten. „In der Gesamtschau ist die Eingriffsintensität als hoch zu bewerten. Der Ausgang der Gesamtabwägung ist aufgrund des hohen Rangs der informationellen Selbstbestimmung und der bestehenden angesprochenen Unwägbarkeiten insbesondere hinsichtlich möglicher Zweckänderungen und dem Ausreichen der technischen Schutzvorkehrungen mindestens als offen anzusehen”, heißt es in dem 22-seitigen Papier.
Der Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium sieht vor, dass die Steueridentifikationsnummer als zentrale Nummer für 51 zusätzliche, sehr unterschiedliche Register genutzt werden soll. Zwar werde durch das geplante Modell „kein unzulässiges allumfassendes „Superregister” gebildet”, heißt es in dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, allerdings sei es problematisch, „dass der Gesetzesentwurf keine ausdrückliche Reglung enthält, dass die Nutzung der Identifikationsnummer zur Bildung von Persönlichkeitsprofilen unzulässig ist”.
So werde mit der universellen Personenkennziffer die „Möglichkeit und Gefahr einer (wenn auch nicht beabsichtigten, sondern unbefugten) Profilbildung” erheblich erhöht. Auch die Möglichkeit der Rückverfolgung, das sogenannte Tracing von Bürgern, könne entstehen. Da die Zweckbindung der Verarbeitung der Steuer-ID zudem nicht auf die Identifikation gegenüber der Verwaltung beschränkt ist, sei die „Verarbeitung zu anderen Zwecken bis hin zur Nutzung der Steuer-ID in der Privatwirtschaft rechtlich nicht eindeutig ausgeschlossen”, heißt es weiter.
Die vom Bundesinnenministerium genannten Ziele einer Steigerung der Funktionsfähigkeit, Effektivität und Leistungsgerechtigkeit sowie einer Entlastung der Bürger von Nachweispflichten und dem Vorbeugen von Leistungsmissbrauch erkennt das Gutachten dagegen als „jeweils wichtige Ziele” an. Scharfe Kritik an den Plänen des Bundesinnenministeriums äußerte Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen. „Die Bundesregierung darf sich den klaren höchstrichterlichen Vorgaben zu sektorübergreifend verwendeten Personenkennziffern nicht länger verschließen und muss endlich für einen klaren Grundrechtsschutz und ausreichend Rechtssicherheit in diesen wichtigen Fragen sorgen”, sagte von Notz den Funke-Zeitungen.
Setze die Bundesregierung weiterhin auf die Devise „Augen zu und durch”, werde der das Projekt der digitalen Verwaltung gefährdet, sagte von Notz. Dabei sei das Ziel einer Modernisierung der Register „längst überfällig”, so der Grünen-Politiker. Zuvor hatte bereits der Bundesbeauftragte für Datenschutz – Ulrich Kelber (SPD) – gegenüber den Funke-Zeitungen die Verfassungskonformität der einheitlichen Personenkennziffer bezweifelt. „Mit einer einheitlichen Personenkennziffer ist auch im privaten Bereich die Zuordnung sehr sensibler Daten zu einzelnen Bürgern leicht möglich”, sagte Kelber. Er plädierte dafür, sich bei dem geplanten Gesetz ein Beispiel an Österreich zu nehmen. Dort sind die Datenbanken mit bereichsspezifischen Identifikationsnummern in Sektoren aufgeteilt.